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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérômel Savary
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Lehrerin geküsst hatten, schwärmten sie in die Felder aus und verschwanden.
    Maria war mit einer Schüssel, einer Schere und einem Wegwerfrasierer zurückgekommen.
    »Mein Rasierer für die Beine! Du musst nicht glauben, Pedro, nur weil ich eine zerbrechliche Madonna bin, rasiere ich mich nicht.«
    Sie begann, die rechte Seite des Bartes abzunehmen. Und schon hatte er nur noch einen halben Bart.
    »Sieh mal, was für ein Unterschied!«, sagte Maria und drehte sein Kinn hin und her.
    »Wenn du willst, bleibe ich so«, scherzte Pedro.
    »Nein, ich will dich ganz glatt. Das macht dich mindestens zehn Jahre jünger.«
    »Das kann ich gut gebrauchen! Du weißt, dass ich die fünfzig überschritten habe.«
    »Ich liebe dich, wie du bist, Pedro! Und außerdem gehst du sowieso fort, also ein Jahr mehr oder weniger, was macht das schon.«
    Unten, am Fuße des Hügels, hupte es und man konnte das Dröhnen eines Dieselmotors hören. »Sieh nur!«, rief Maria, »die Freunde kommen uns abholen.«
    Am Steuer des De Soto saß der Parteisekretär.
    Pedro und Maria kletterten zu ihm in die Fahrerkabine. Der Fahrer sah Pedro seltsam an. Vielleicht, weil er keinen Bart mehr hatte, vielleicht aus Eifersucht.
    In Embocada de la Herradura, einem kleinen Dorf, tranken sie einen Kaffee, während sie auf das Taxi warteten, das Pedro zurück nach Havanna bringen sollte.
    Der Mann war schweigsam, Maria verhielt sich dem Alten gegenüber distanziert.
    Doch als er ins Taxi stieg, bemerkte er, dass ihre Augen feucht waren.
    »Leb wohl, mein schöner Poet! Das Leben ist nicht nett, wenn alles so schnell vorübergeht.«
    »Ich komme zurück, Maria!«
    »Sag das nicht! Es nützt nichts, es sind doch nur Worte! Komm einfach nur wieder. Ich werde auf dich warten, zumindest eine Weile lang.«
    Die Rückkehr nach Havanna in dem quietschenden Taxi war sehr viel weniger fröhlich als die Hinfahrt. Der Alte fühlte sich schuldig. Weshalb, das wusste er nicht, aber schuldig, so viel war sicher.
     
    ––– ¤ –––
     
    »Was für ein Idiot bin ich mein ganzes Leben lang gewesen! Und was hab ich für ein elendes Leben geführt! Mit meinem Saumur und meinen Îles Flottantes! Und meinen Abenteuern mit den Soubretten aus Boulevardstücken! Und meinem Schwachsinnstheater! Das nichts als Schwachsinn erzählt, einfach nur Schwachsinn und sonst nichts! Während es am anderen Ende der Welt, bei La Palma, barfüßige Kinder gibt, die Tabakfelder durchqueren, um die Gedichte von Prévert aufzusagen. Während Grundschullehrerinnen drei Francs sechzig verdienen, um ihnen Lesen und Schreiben beizubringen, und in einem Kämmerchen über dem Klassenzimmer schlafen, ohne Wasser und Strom.«
    In dem schaukelnden Taxi klagte der Alte lauthals vor sich hin. Der Fahrer lachte. »Tiene un problema, señor?«
    »Nein, ich habe kein Problem!«
    »Cierra la ventana! Aquí viene la tornenta!«
    Und tatsächlich ging ein Tropenunwetter auf die Autobahn nieder. Man sah die Hand vor Augen nicht. Von allen Seiten drang Wasser in das Taxi.
    Der Alte dachte an Marias Wasserfall. An ihre Liebkosung unter dem eiskalten Wasser aus dem Gebirge. Und er bekam große Lust, aus dem Taxi zu steigen und zu Fuß zu ihr zurückzukehren, durch den Regen, wie ein Pilger.
    Er bemerkte einen Mann am Straßenrand, der trotz des Platzregens einen großen Knoblauchzopf schwenkte.
    Auf dem Malecón verkaufen die Mädchen im Regen ihre Körper, hier verkaufen die Leute Knoblauch, dachte der Alte, während er sich eine Zigarre anzündete.
    Er erreichte das Hotel Inglaterra am späten Nachmittag. Die Sonne schien wieder. Vor dem Hotel spielte eine Combo alternder Kubaner das Standardrepertoire an Jazzstücken. Der Chef der Combo war spindeldürr, dirigierte aber mit einem Lächeln. Zwar hingen die Partituren in Fetzen, der Klang jedoch war unglaublich. Einen derartigen Sound eines alten Akkustikorchesters spielte man sonst nirgends mehr. Höchstens noch in Bangladesch.
    Die klingen fast wie das Orchester von King Oliver, dachte der Alte.
    Er trank einen Mojito auf der Terrasse. Das Orchester spielte — oder, man kann fast sagen, »weinte« – Laura.
    Wenn ich eines Tages noch mal eine Tochter bekommen sollte, dachte der Alte weiter, nenne ich sie Laura.
    Und er musste an Marias Scheide denken, an ihren Geruch nach Zimt und an sein Versprechen, eines Tages in sie einzudringen.
    Er duschte sich in seinem Badezimmer mit den vergilbten Kacheln.
    Erschrocken flohen die Kakerlaken vor dem dünnen,

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