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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérômel Savary
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lauwarmen Strahl.
    Da war Marias kühler Wasserfall schon etwas anderes.
    Der Alte betrachtete seinen nackten Körper im Spiegel.
    »Das steht dir gut, Pedro! Schluss mit den Îles Flottantes.«
    Unten im Patio spielte das Orchester nun My old flame, meine erste Liebe, oder meine erste Flamme.
    Pedro sang mit:
     
    »My old flame
    I can’t even remember your name
    But I’ll never be the same
    Until I find again
    My old flame«
    Er tanzte eine Weile mit seinem Handtuch. Vielleicht sollte er Bolero lernen, Maria tanzte so gut.
    Dann streckte er sich nackt auf dem Bett aus und schlief auf der Stelle ein, gab sich einer langen Siesta hin, in diesem riesigen kolonialen Schlafzimmer, in dem die Klimaanlage dröhnte.
     

 
     
     
    3
     
    E L C OMANDANTE
     
     
     
    Er fuhr aus dem Schlaf hoch, als die Nacht hereinbrach. Zuerst wusste er nicht recht, wo er war. Als er endlich erkannte, dass er nicht in Marias kleinem Zimmer war, begann er herumzubrüllen: »Du Riesenhornochse! Du hast die Frau deines Lebens getroffen! Wahrscheinlich die einzige, die du je geliebt hast. Sie wartet auf dich! Und du, du liegst da wie ein Blödmann und hältst Siesta in einem Hotelzimmer!«
    Er holte seinen Koffer aus dem Wandschrank und fing an, alles, was im Zimmer herumlag, hineinzuschmeißen.
    Als er endlich hastig den Koffer schließen wollte – er hatte Zeit mit der Suche nach dem hartgekochten Ei verloren, das ihm unter das Bett gerollt war –, klingelte das Telefon.
    »Papa, ich bin’s, Jo! Beweg deinen Hintern! Es ist superwichtig!«
    »Das trifft sich gut, dass du mich anrufst, Sohn, ich verschwinde aus Havanna. Ich melde mich in zwei, drei Tagen bei dir. Sag die nächsten Vorstellungen ab. Sag einfach, ich hätte keine Stimme mehr.«
    »Warte, Papa! Jetzt spiel nicht verrückt, das geht jetzt nicht, unten wartet ein Wagen auf dich.«
    »Perfekt! Ich brauche ein Auto.«
    »Nein, Papa! Du verstehst mich nicht. Es ist ein offizieller Wagen! Du wirst erwartet!«
    »Wer außer Maria sollte mich erwarten?«
    »Das kann ich dir am Telefon nicht sagen. Na los! Beeil dich und komm runter!«
    Drei Bullen in Zivil, die Knarre in der Hose, warteten in der Halle auf ihn, als er aus dem Aufzug trat.
    »Was wird das denn hier?«, fragte der Alte. »Die verhaften mich!«
    »Aber nein, Papa, komm, steig ein!«
    Der Alte zwängte sich in den Mercedes mit getönten Scheiben.
    »Jo, mein Junge, kannst du mir sagen, was dieser ganze Zirkus zu bedeuten hat?«
    »Der Comandante will dich sehen.«
    »Der Comandante?«
    »Fidel, Papa! Höchstpersönlich! Man hat ihm von deiner Vorstellung gestern erzählt und jetzt will er dich kennenlernen.«
    »Fidel?«
    Der Alte fühlte sich, als hätte ihm jemand eins übergebraten: Fidel höchstpersönlich sollte ihn empfangen, ihn, den jämmerlichen Boulevardschauspieler? Selbst wenn man ihm ein Gespräch mit Jesus angekündigt hätte, hätte das nicht eine solche Wirkung gehabt. Wie durch ein Wunder sprangen alle Ampeln der Quinta Avenida auf Grün und hinter drei Motorrädern mit heulenden Sirenen sauste der Mercedes durch Havanna.
    Sie brauchten kaum fünf Minuten bis nach Miramar.
    Dann fuhren sie durch eine lange grüne Allee über ein von Stacheldraht umzäuntes Grundstück und hielten schließlich vor der Veranda einer großen Kolonialvilla.
    Im Sturmschritt durchquerten sie das Haus und fanden sich plötzlich in einem friedlichen Garten wieder. In einem Schaukelstuhl mitten auf einer Wiese saß Fidel, umgeben von mehreren Personen, die Kaffee tranken.
    »Willkommen, Poet!«, sagte Fidel, während er sich erhob. Dann drückte er Pedros zitternde Hand. »Sie müssen gestern Abend im Melia großartig gewesen sein! Man hat mir von Ihrem Duo mit der Lehrerin erzählt. Da hatte ich auf einmal Lust, Sie kennenzulernen.«
    Woher wusste er, dass sie Lehrerin war? Trotz der Aufregung schoss Pedro sofort dieser Gedanke durch den Kopf. Er hätte wissen müssen, dass Fidel alles wusste.
    »Ich habe getan, was ich konnte, Comandante. Diese junge Frau hat mir das Leben gerettet. Ich hatte ein Blackout, sie hat das Gedicht an meiner Stelle fortgeführt. Ich wusste nicht, dass die Kubaner Prévert so gut kennen.«
    »Die Kubaner kennen jeden gut, den sie lieben. Und sie lieben jeden, der sie liebt«, erklärte Fidel. Der Alte konnte den bohrenden Blick des Comandante förmlich spüren. Offenbar hatte er gelernt, seine Gesprächspartner gleich auf den ersten Blick abzuschätzen.
    Es hieß, der Comandante sei alt und

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