Liebe und Tod in Havanna
hab es mir geliehen und außerdem mache ich momentan gute Geschäfte.«
»Geschäfte welcher Art?«, fragte Pedro mit nunmehr strenger Stimme.
»Das kann ich dir jetzt nicht erklären. Ich erzähle es dir, wenn ich dich in La Palma besuchen komme. Los, Papa, mach dich auf den Weg, lass deine Schöne nicht warten.«
»So was hab ich nicht so gern«, brummte der Alte und schob den dicken Umschlag in seine Gesäßtasche. Dann fuhr er los.
Jo sah ihm nach.
Zum Abschied schrie Paquita noch aus dem Kofferraum: »Arschloch!«
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Pedro kam um Punkt fünf Uhr vor der Schule an, aber Maria saß nicht auf der Treppe.
Beunruhigt drückte er auf die Hupe. Da keine Antwort kam, betrat er das einzige Klassenzimmer. Die Klasse war leer. Durch die Hintertür ging er nach draußen und lief zum Wasserfall. Eine nackte Frau stand darunter, aber als er die schlaffe Silhouette des Körpers erblickte, wusste er sofort, dass es nicht Maria war.
Die Frau unter der Dusche war eine sehr magere weiße ältere Frau.
»Verzeihen Sie, Señora«, entschuldigte sich Pedro. »Ich dachte, es wäre Maria.«
»Maria ist nicht da«, entgegnete die Frau, während sie sich in ein altes, abgenutztes Handtuch hüllte. »Ich bin ihre Vertretung.«
Pedro fühlte sich, als hätte ihm jemand einen Schlag in die Magengrube verpasst, er fing an zu schwitzen, wie immer, wenn er extremen Gefühlsregungen ausgesetzt war. »Ist ihr etwas passiert?«
Die Frau lächelte. »Nein, machen Sie sich keine Sorgen, Sie wartet zu Hause auf Sie, es geht ihr sehr gut.«
»Warum vertreten Sie sie dann?«
»Sie wurde vom Dienst suspendiert«, erwiderte die Frau und setzte dann, nach einem kurzen Moment der Verlegenheit, hinzu: »Solange sie auf den Prozess wartet.«
»Was für ein Prozess?«, rief Pedro aus.
»Ihr Vater ist wegen illegaler Lagerung von Zement verhaftet worden. In solchen Fällen suspendiert der Bildungsminister immer auch die Familienmitglieder. Wegen der Kinder, verstehen Sie? Man muss ihnen ein Vorbild sein.«
»Ich verstehe!«, sagte Pedro und stürzte zum Auto.
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Pedro dachte, er würde eine untröstliche Familie vorfinden, doch genau das Gegenteil war der Fall. Maria wartete am Straßenrand auf ihn, sie trug ein geblümtes Kleid und ruderte mit den Armen und hüpfte dabei wie ein kleines Mädchen.
Während er näher kam, lachte sie und rief: »Mein Mann ist wieder da, mein Prinz ist zurückgekehrt!«
Da kamen auch schon Aurora und der alte José angelaufen.
»Porthos! Mein Bruder! Ach, wenn du wüsstest!«, rief der Alte. »Komm gucken, der Estrich ist fertig, für das Wohnhaus und auch für das Scheißhaus und das Generatorenhäuschen. Wir haben Tag und Nacht gearbeitet, damit es fertig ist, wenn du zurückkommst. Und ich habe auch schon Holz für die Balken und das Dach gefunden. Wir brauchen nur noch Farbe.«
»Und der Prozess? Was ist damit?«, fragte Pedro seine Gefährtin, die er im Arm hielt.
»Das sind die neuen Gesetze von Lage! Aber mach dir keine Sorgen, Raúl wird alles regeln und Papa wird freigesprochen.«
»Hast du Raúl gesehen?«, fragte Pedro plötzlich finster.
»Er ist sofort gekommen, als er von Papas Ärger gehört hat. Was ist denn? Bist du eifersüchtig? Ach, wie schön, du bist eifersüchtig!«
»Ich finde das überhaupt nicht schön. Ich glaube, das ist das erste Mal in meinem Leben.«
»Das beweist, dass du mich wirklich liebst! Denkst du, ich könnte dich betrügen, wo ich doch dein Kind unter meinem Herzen trage?« Und dann setzte sie beunruhigt hinzu: »Und du, du hast mich doch nicht betrogen?«
»O doch, ich habe dich betrogen, und zwar mit einem ganz dreisten Flittchen. Ich habe sie sogar mitgebracht. Mach den Kofferraum auf, dann kannst du deine Rivalin sehen.«
Ohne sich etwas anmerken zu lassen, öffnete Maria den Kofferraum.
»Napoleon!«, schrie der Papagei.
»Scheiße, Porthos!«, rief José. »Zu so etwas bist nur du in der Lage! Du bist ein Zauberer!«
»Arschficken!«, schrie Paquita sicherheitshalber.
»Maricón!«, brüllte Paquito zurück.
»Ach, geht’s uns gut«, befand Aurora. »Mit den beiden brauche ich keinen Fernseher.«
»Den bekommst du trotzdem! Und wenn die Serien anfangen, knebeln wir die Papageien!«
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Die Kubaner sind die geschicktesten Handwerker der Welt. Da sie wegen der amerikanischen Blockade seit mehr als dreißig Jahren an Mangel gewöhnt sind, können sie aus dem Nichts
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