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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérômel Savary
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Schnarchen noch die Klimaanlage, die lauter dröhnte als alle Schnarcher der Welt, hinderten Nieve und Jo daran, fünfzehn Stunden am Stück zu schlafen.
     
    ––– ¤ –––
    Am nächsten Morgen gab er ihr zehn Dollar, damit sie ihrem Kind etwas zu essen kaufen konnte.
    Noch am selben Abend kam sie wieder. Und auch an allen folgenden Abenden, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.
    »Und wenn ich ein anderes Mädchen mitnehmen will?«, protestierte Jo nach einer Woche.
    »Du sagst es mir und ich gehe.«
    Nieve war nicht im eigentlichen Sinne eine Jinetera. Sie bewohnte ein einziges Zimmer in einem heruntergekommenen Haus in der 53. Straße, weit vom Zentrum Havannas entfernt. Sie und ihre Familie kamen aus Santiago, vom anderen Ende der Insel, und waren illegal in der Hauptstadt. Keine Lebensmittelkarte, ein besetztes Zimmer in einem leer stehenden Haus, Brunnen im Hof und Gemeinschaftstoiletten auf dem Treppenabsatz.
    Das Viertel lag neben Miramar und seinen Stränden. Nieves Mutter arbeitete als Köchin in einem Krankenhaus, doch ihr Gehalt reichte natürlich nicht.
    Am Abend also, wenn es abkühlte, duschte sie mit Hilfe eines Kochtopfs ihre Tochter, schnitt ihr die Nägel, flocht ihr Tücher ins Haar, und sobald die Kleine eingeschlafen war, begab sich Nieve in die nahe gelegene Casa de la Musica, um Jagd auf Ausländer zu machen.
    »Sei vorsichtig, Nieve«, bat die Mutter sie jedes Mal, »geh nur zur Casa de la Musica, das ist nicht weit weg von zu Hause, da kannst du immer sagen, dass du nur zufällig vorbeigekommen bist und Lust hattest, ein bisschen Musik zu hören. Geh nicht in die Hotels in Vedado!«
    Die Casa de la Musica war ein staatlicher Konzertsaal, wie all die anderen auch, natürlich, aber mit eher kultureller Ausrichtung und weniger touristisch. Dort wurden ausgezeichnete Gruppen vorgestellt, manchmal auch Nachwuchstalente, denen die Casa als Sprungbrett diente. Wie vor jeder Diskothek in Kuba warteten die Mädchen vor der Tür darauf, dass jemand sie einlud. Aber im Gegensatz zum Palacio waren sie nicht alle Jineteras. Ein paar junge Mädchen, beinahe noch Kinder, wurden einfach nur von der Musik angelockt.
    Wenn nicht viele Leute da waren, ließ man die Mädchen gratis rein, wie im Capri.
    Nieve hatte alle ihre Eroberungen in der Casa gemacht.
    »Zuerst habe ich einen Italiener kennengelernt, einen echten Scheißkerl, der über mich hergefallen ist und mir hinterher nicht einen Peso geben wollte, weil ich ja angeblich auch meinen Spaß gehabt hätte. Er hat sogar gesagt, dass ich eigentlich ihn bezahlen müsste. Dann war da ein junger Amerikaner mit schrecklichen Komplexen, der sich für alles, was er getan hat, schämte, und seine Dollar hat er immer genau abgezählt, damit er mir bloß nicht zu viel gibt. Und zum Schluss ein Spanier. Ein Typ, der wie du in Kuba gearbeitet hat und in den ich schrecklich verliebt war. Wir haben drei Monate zusammengelebt. Später gab er mir immer weniger Geld, denn ich war ja fast seine Frau, aber es hat gereicht, um meine Familie durchzubringen, und ich war glücklich. Er wollte mich mit nach Spanien nehmen. Er hat sogar meine Mutter kennengelernt, ihr Geschenke gemacht. Also habe ich alles getan, um einen Pass zu bekommen. Wir hatten vereinbart, dass wir meine Tochter erst einmal bei meiner Mutter lassen und sie dann später zu uns holen würden.« Plötzlich schwieg Nieve und drückte sich eng an Jo.
    »Und dann?«
    »Drei Wochen vor der geplanten Abreise ist er verschwunden. Ich hab ihn überall gesucht, er hatte sich in Luft aufgelöst! Ich war überall, wo wir zusammen hingegangen waren, aber keine Spur. Zwei Monate später habe ich dann erfahren, dass er mit einer anderen nach Europa gefahren war, einer hübscheren, die weißer war als ich. Und auch kultivierter. Ich hab genau gemerkt, dass er sich meinetwegen manchmal geschämt hat, weil ich oft Dummheiten gesagt habe. Ich hatte ihm versprochen, dass ich lernen würde, dass ich lesen und mich nicht mehr wie ein kleines Mädchen verhalten würde, aber wie du siehst, war es zu spät. Ich hätte das alles vorher tun müssen. Er hat mir trotzdem zweihundert Dollar geschickt, aber drei Monate später hat meine Mutter gesagt: ›Nievita, wir haben nichts mehr, du musst wieder in die Casa de la Musica.‹ Es ist ein unglaubliches Glück, dass wir beide uns getroffen haben, denn an dem Abend, an dem du mich im Capri gesehen hast, war ich zum ersten Mal da, mit meiner Cousine, meine Mutter

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