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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérômel Savary
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genießt und Geld hast)
    Que pasé los treinta y no llegue a los cinquenta
    (Der über dreißig, aber unter fünfzig ist)
    Paqué te dé la cuenta!
    (Damit du auch auf deine Kosten kommst)
    Un pakiriki, un juaniki!
    (Ein alter Marihuanapapi!)
    Paqué tengas lo que tenías que tener!
    (Damit du bekommst, was du verdienst!)
     
    Jo war inzwischen völlig Salsasüchtig und hatte sogar angefangen, in seinem Verschlag in der Calle Neptuno auf dem Guiro zu üben. Der Guiro, in Europa eher als Reco-Reco bekannt, ist ein aus einem Kürbis gefertigtes Rhythmusinstrument, über das man mit einem Stock schrappt. Ein eher unauffälliges Instrument, für die afrokubanische Rhythmik jedoch unverzichtbar. Jo nahm sogar hin und wieder ein paar Stunden, beim Trommler von Chucho Valdés. Warum er Guiro lernte und nicht Congas oder Bongos? Schwer zu sagen, vielleicht aus Schüchternheit. Weil er in der Calle Neptuno spielen konnte, ohne allzu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und vor allem, weil man den Guiro überall mit hinnehmen kann, die kleinen Modelle sogar in der Tasche, und diese Flexibilität gefiel Jo, der sein Instrument immer mit sich nahm, sogar zum Flughafen, wo er sich zwischen der Abfertigung zweier Flugzeuge auf der Toilette einschloss und an seinen Rhythmen arbeitete.
    Der Nachbarsjunge, der Jo von seinem Fenster aus gern Grimassen schnitt, wenn der auf seinem Kürbis rieb, hatte begonnen, ihn »El Guiro« zu nennen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich der Spitzname im Viertel. Schon bald kannte man Jo in ganz Alt-Havanna nur noch als »El Guiro«. Beinahe jeden Abend ging Jo nach der Arbeit ins Capri und ließ sich von den höllischen Rhythmen der Combos, die auf dem Programm standen, berauschen: Und die bestanden immer aus mindestens vier Perkussionisten, die unisono trommelten. Ein Schlagzeuger, ein Tumbaspieler, ein Timbalero, eine Conga, dazu natürlich die Glocken und der Guiro. Jo setzte sich auf den seitlichen Bühnenrand, neben die Tänzer, wo man ihn in Ruhe sitzen ließ. Natürlich kamen regelmäßig Mädchen vorbei, um eine Cola oder eine Zigarette zu schnorren, aber Jo war im Salón Rojo bekannt und er wusste, wie er sie sich vom Leib hielt. »Mira Niña! No soy un turista, trabajo aquí, entonces déjame en paz escuchar la música!«
    Dennoch sah er den Mädchen gern beim Tanzen zu, schließlich legt man seine Natur ja nicht ab, und wenn ihm eine gefiel, nahm er sie für die Nacht mit in die Calle Neptuno.
    Nieve war nicht eingeladen worden. Dennoch hatte sie lange vor Jo getanzt, mit einem derart sinnlichen Hüftschwung, dass selbst eine Statue einen Ständer gekriegt hätte. Aber Jo hatte einen ziemlichen Blues an jenem Abend. Und als sie mit dem Daumen auf sich gezeigt und ihn mit verlockendem Lächeln angesehen hatte, als wollte sie fragen »Willst du mich?«, hatte er mit einer Geste abgelehnt.
    Die Musik war so laut, die Trommeln so ohrenbetäubend, dass diese primitiven Gesten die einzig wahrnehmbaren waren in diesem Durcheinander, die einzige Möglichkeit, im Salón Rojo zu kommunizieren. Es war keinerlei Unterhaltung möglich, was Jo sehr gelegen kam, der, im Laufe der Wochen, immer schweigsamer geworden war. Wozu war es auch gut zu reden? Was hätte er sagen sollen? So beschränkte er sich auf das Nötigste, am Flughafen wie in der Stadt, und das war’s.
    Als er bei Tagesanbruch seinen Wagen an der Ecke der Calle 23 abholte, stand Nieve gegen die Tür gelehnt da, die Schuhe in der Hand, und sah ihn mit flehendem Blick an.
    »Nimm mich mit, bitte.«
    »Ich hab keine Lust, Süße, ich hab keine Lust zu vögeln, ich will einfach nur schlafen!«
    »Das macht nichts, nimm mich trotzdem mit. Ich bin auch ganz ruhig, ich lass dich schlafen! Bitte, nimm mich mit!«
     
    Sie hatte genüsslich geduscht, dann hatte sie sich nackt neben Jo gelegt. »Danke! Ich bin so müde!«
    »Schlaf, Kleine, es stört mich nicht, dass du da bist. Es könnte eher sein, dass ich dich störe, ich schnarche schrecklich, wenn ich getrunken habe.«
    Sie brach in Gelächter aus und schmiegte sich in seinen Arm.
    »Bei mir zu Hause schlafen wir zu sechst auf neun Quadratmetern. Meine Großmutter, meine Mutter, meine Tochter, mein Bruder, mein Onkel, also weißt du, da bin ich eine ganz andere Geräuschkulisse gewohnt.«
    »Jetzt schlaf aber schön, meine Kleine«, sagte Jo und gab ihr einen väterlichen Kuss. Ihr Haar roch nach Gewürzen. Sie schliefen schnell ein, Arm in Arm wie Bruder und Schwester. Und weder Jos

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