Liebe und Vergeltung
tätig gewesen, hatte Schwierigkeiten mit einem Offizier bekommen und war dankbar, daß ich die Sache für ihn regelte. Da er sich mir verpflichtet fühlte, erbot er sich, mir zu dienen. Außerdem verlockte ihn die Möglichkeit, viel zu reisen und die Welt kennenzulernen. Aber er wird bald für immer in seine Heimat zurückkehren und dann auch Malik aufsuchen. Er hat mir versprochen, ihm zu erzählen, daß es mir gut geht und ich viel an meine kafirischen Freunde denke. Und das entspricht der Wahrheit. „
Sara trank einen Schluck Cognac und sagte nachdenklich: „Jetzt ergibt so vieles einen Sinn, zum Beispiel, warum du im Park von Chapelgate Court geäußert hast, es fiele dir schwer, dich an einem Ort heimisch zu fühlen, wo du nicht geboren bist. Nun kann ich auch verstehen, daß die Stätte deiner Geburt dir nie etwas bedeutet hat und auch keine heimatlichen Gefühle bei dir auslöst.“
„Niemand würde freiwillig ins East End zurückkehren, wo nur Gewalt und bitterste Not herrschen“, erwiderte Mikahl. „Was hältst du nun davon, daß ich aus so einfachen Verhältnissen stamme?“
Sekundenlang war Sara um eine Antwort verlegen. „Heute bist du ein weitgereister, gebildeter Mann“, sagte sie bedächtig. „Aber ich finde es gut, daß deine Anfänge in England liegen. Ich glaube, die acht ersten Jahre haben dich geprägt und gelehrt, das Leben mit wachen Augen zu betrachten und Verständnis für deine Umwelt aufzubringen.“
„Schockiert es dich denn nicht, daß du, die Tochter des Duke of Haddonfield, das Lager mit einem Bastard aus dem East End teilst?“
„Seit ich dich kenne, ist mein vorher so ruhiges Dasein gründlich aus dem Lot geraten“, antwortete Sara lächelnd. „Es bringt mich nicht aus der Fassung, daß ich jetzt weiß, wer du in Wahrheit bist. Der Grund, warum ich in Gegenwart der Königin darauf angespielt habe, daß ich mir keinen unstandesgemäßen Gemahl erwählen würde, war mein Bestreben, dich in ein besseres Licht zu stellen.“
„Sie wird pikiert sein, wenn sie erfahrt, daß ich ein ganz gewöhnlicher Bürgerlicher und obendrein illegitim bin.“ „Mikahl“, erwiderte Sara und schüttelte schmunzelnd den Kopf, „du hast eine sehr berühmte Vorgängerin in unserer Familie. Die Stammutter der edlen St. James’ war eine Schauspielerin. Wie du war Nellie James ein Kind des East End, die es immerhin bis zur Mätresse Charles II. brachte! Zu seiner Zeit war Hampton Court ein Tummelplatz der Londoner Kurtisanen, und die zeitgenössischen Chronisten mokierten sich mit Abscheu über das lose Treiben bei Hofe. Charles II. war auch keineswegs sicher, daß er den Sohn gezeugt hatte, den Nellie ihm gebar. Im Gegensatz zu den illegitimen männlichen Sprößlingen, bei denen er weniger Zweifel an seiner Vaterschaft hatte und die er zu Herzögen ernannte, wurde Nellies Abkömmling nur zum Grafen gemacht.“
„Offenbar gibt es in jeder Familie ein schwarzes Schaf“, warf Mikahl ein und grinste belustigt.
„Du sagst es!“ stimmte Sara fröhlich zu. „Die ersten Earls unter meinen Ahnen zeichneten sich vor allem dadurch aus, daß sie eine gute Nase für lukrative Ehen hatten. Sie heirateten die Töchter reicher Handelsleute und häuften ein immenses Vermögen an. Mein Urgroßvater mütterlicherseits muß den geschäftlichen Spürsinn seiner Vorfahren geerbt haben. Er verfiel auf den Gedanken, ein ausgedehntes Sumpfgelände am Rande Londons trockenzulegen und darauf ein neues
Stadtviertel mit eleganten Gebäuden, Flanierstraßen und pompösen Plätzen zu errichten. Die Krone dankte ihm den menschenfreundlichen Einfall mit der Erhebung zum Duke of Haddonfield. Natürlich scheffelte auch er gewaltige Reichtümer an, was dann meinem Vater die Möglichkeit gab, der kaufmännischen Einstellung seiner Ahnherren untreu zu werden und aus Liebe zu heiraten. Mutter kam aus respektablem, doch sehr verarmtem schottischen Landadel, der nicht mit klingenden Namen aufwarten konnte. In dieser Linie der Montgomeries gab es nur einfache Gutsbesitzer und Soldaten.“
„Ich nehme an, dein Vater weiß über Nellie James’ Geschichte Bescheid?“ fragte Mikahl amüsiert.
„Selbstverständlich“, bestätigte Sara vergnügt. „Aber er zieht es vor, nicht daran erinnert zu werden. Einmal habe ich in einem alten Folianten ein Porträt von Nellie gefunden. Sie sah wirklich nicht wie eine vornehme Dame aus.“
„Vermutlich hätte Charles II. kein Gefallen an ihr gefunden, wäre sie eine Dame
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