Liebe und Vergeltung
gewesen.“
„Das mag sein“, stimmte Sara zu und seufzte leicht. „Seit ich dich kenne, merke ich, daß in meinen Adern reichlich viel von Nellie James’ Blut fließt. Du siehst, mein Lieber, auch meine Abstammung ist nicht makellos. Ich habe eine illegitime Ahnfrau aus den bescheidensten Verhältnissen, einen Vorfahr, der ein Kind zur linken Hand war, und eine ganze Reihe von Ahnen, die keinen Titel trugen. Du hast also keinen Anlaß, dich deiner Herkunft zu schämen.“
„Du hast mich überzeugt“, erwiderte Mikahl und lachte leise. „Deine Altvorderen sind offenbar viel weniger achtbar als meine!“
Sara hob das Glas an die Lippen, trank einen Schluck und schaute Mikahl gedankenvoll an. „Nun hast du mir etwas aus deiner Vergangenheit erzählt“, sagte sie dann, „doch einige Punkte sind offen geblieben. Beispielsweise, wie es dich nach deiner Zeit als Schiffsjunge nach Asien verschlagen hat, und warum zwischen dir und Charles diese Feindschaft besteht.“ „Ich weiß, daß ich dir noch Erklärungen schuldig bin“, gab Mikahl ernst zu. „Aber es wird mir nicht leichtfallen, und deshalb möchte ich es heute abend lieber unterlassen. Falls du jedoch darauf bestehst, werde ich mich nicht weigern.“
Sara stellte das Glas ab, stand auf und ging zu ihm. Sie setzte sich auf die Seitenlehne des Sessels, schlang die Arme um Mikahl und schmiegte das Gesicht an seine Wange. „Es muß nicht sein“, sagte sie leise. „Laß uns zu Bett gehen. Und ich wäre dir dankbar, wenn wir morgen nach Sulgrave zurückkehren könnten.“
Mikahl küßte sie zärtlich auf die Stirn und murmelte bewegt: „Ich weiß nicht, womit ich eine so gute, verständnisvolle Frau wie dich verdient habe.“
Liebevoll kuschelte sie sich noch enger an ihn und hoffte, daß ihre Ehe eine Zukunft haben mochte. Die vergangene Zeit mit Mikahl war wunderbar gewesen, doch nie zuvor hatte Sara sich ihm mehr verbunden gefühlt als in diesem Augenblick.
24. KAPITEL
Vor Wut schnaubend, sprang Charles aus der Karosse, stürmte die Stufen zum Portal hinauf und an dem ihm öffnenden Butler vorbei in die Halle.
„Ich will Kane sprechen!“ befahl er, obwohl es weit nach Mitternacht war. „Sofort! In meinem Arbeitszimmer!“
Zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte er die Treppe zur ersten Etage hinauf, lief in sein Studio und ließ sich in den nächsten Sessel fallen. Zum Teufel, die ganze Bagage würde ihm für die Erniedrigung büßen, die ihm vor der Königin und der Hautevolee der Londoner Gesellschaft widerfahren war! Er hatte die Wahrheit über Michael Connery gesagt, doch die verlogene Bande hatte die Hochstapelei des Bastards gestützt. Vor allen Leuten war er von Sara und Alastair zum Lügner abgestempelt und lächerlich gemacht worden. Nun sollten alle ihm teuer dafür bezahlen, nicht nur Michael, die Ursache des ganzen Ärgers.
Es klopfte, und William Kane betrat den Raum.
Unwillkürlich fragte sich Charles, ob sein Sekretär nicht im Bett gewesen wäre. Kane war tadellos gekleidet und zeigte nicht die geringsten Anzeichen von Schläfrigkeit.
„Sie wünschen, Sir?“
„Jetzt weiß ich endlich, wer die Quelle meines Verdrusses ist“, antwortete Charles erbost und fügte verächtlich hinzu: „Michael Connery, genannt Prinz Balagrini von Kafiristan! Alle, aber auch alle Unannehmlichkeiten habe ich nur ihm zu verdanken! Er will mich ruinieren! Wir müssen ihn aus dem Wege räumen.“
„Nichts leichter als das“, erwiderte William Kane trocken. „Wann? Morgen? Bleibt es mir überlassen, oder wollen Sie ihm auf bestimmte Weise den Garaus machen?“
Die kalte Sachlichkeit der Fragen veranlaßte Charles, über das Problem nachzudenken. „Nein, nicht morgen“, antwortete er nach einem Moment. „Warten wir noch einige Tage. Erst muß ich in Erfahrung bringen, mit wem der Kerl in Verbindung steht. Laß sein Palais und Sulgrave Manor beobachten, und ihn auch. Die Leute müssen noch heute früh Posten beziehen und mir berichten, wer bei dem Schuft verkehrt, mit wem er gegen mich konspiriert und wer seine Handlanger sind.“
„Sehr wohl, Sir.“
„Und was die Methode betrifft, wie wir ihn erledigen können ...“ Stirnrunzelnd hielt Charles inne, grübelte über die verschiedenen Möglichkeiten nach und meinte dann bedächtig: „Die beste Lösung wäre, ihn zu erschießen. Falls du ihn auf dem Lande erwischst, muß es wie ein Jagdunfall aussehen. Hier in der Stadt sollte sein Tod den Eindruck eines gewaltsamen Raubüberfalles
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