Liebe und Vergeltung
zu.
Sara nickte, machte einige Schritte und drehte sich erschrocken um.
Der untersetzte Aufpasser hatte Kuram angegriffen, der sich heftig wehrte. Fluchend rangen die Männer miteinander, versetzten sich wuchtige Schläge und versuchten, sich gegenseitig zu Fall zu bringen. Unversehens stolperte Kuram, stürzte und schlug hart auf den Boden.
Sara merkte, daß der Diener dem Wächter nicht gewachsen sein würde, und schaute sich nach etwas um, das sich als Waffe benutzen ließ, um Kuram zu helfen. Sie bückte sich und wollte nach einem Stuhl greifen, wurde jedoch jäh zurückgerissen.
Julia Bancroft hielt sie am Arm fest und zischte wütend: „Ich weiß nicht, wer Sie sind, Madam, aber hier haben Sie nichts verloren!“
Kuram gelang es, den Angreifer abzuschütteln und sich zur Seite zu rollen, doch blitzschnell hatte der Aufpasser den Stuhl in der Hand, holte aus und schlug zu. Michaels Diener stöhnte auf und sackte reglos zusammen.
Entsetzt schrie Sara auf und bemühte sich verzweifelt, sich von Mrs. Bancroft zu befreien.
„Binde ihn und schaff ihn ins Hinterzimmer!“ befahl Julia Bancroft. „Aber laß ihn vorläufig noch am Leben. Der Herr wird ihn sicher befragen wollen.“
Erschüttert starrte Sara auf Kurams Turban, der sich an der Schläfe blutig rötete, und versuchte hastig, sich die Kapuze wieder aufzusetzen, die ihr vom Kopf gefallen war.
Julia Bancrofts schaute sie scharf an und sagte kalt: „Ich wette, Sie sind die Frau, die mir soeben jemand beschrieben hat! Er wird sehr zufrieden sein, Sie hier zu sehen! Bis er oben fertig ist, werde ich Sie in meinem Büro einsperren.“
Sara sträubte sich aus Leibeskräften, wurde jedoch von dem Wächter und Mrs. Bancroft grob in einen Salon gestoßen. Die Bordellwirtin tastete sie gründlich ab, fand den im Reticule versteckten Geldbeutel und warf ihn auf einen Tisch.
„Mir scheint, heute habe ich Glück im Unglück“, sagte sie spöttisch. „Erst erhalte ich durch eine Verwechslung entzückenden Nachschub für mein Haus, und nun sind auch noch Sie mir mitsamt einer prall gefüllten Börse in die Hände gefallen. Besser könnte es ja gar nicht sein! Hilf mir“, wandte sie sich an Berney, „sie auf dem Sessel festzubinden.“
Der vierschrötige Kerl drängte Sara in den Fauteuil und fesselte ihr die Hände an der Armlehne. „So, und nun kümmere ich mich um den Wicht da draußen“, brummte er und verließ den Salon.
Sara gab jeden Widerstand auf und ließ sich matt in den Sessel zurücksinken. Vielleicht war Mrs. Bancroft weniger wachsam, wenn sie merkte, daß ihre Gefangene Angst hatte. Sara schloß die Augen und machte sich Vorwürfe, daß sie überhaupt hergekommen war. Sie hätte auf Jenny hören sollen. Elizabeth hatte sie nicht helfen können, und die Fehleinschätzung der Lage mochte jetzt sie und Kuram das Leben kosten. Und wenn Michael von Jenny erfuhr, wo sie war, würde er sich gewiß auf den Weg zu Mrs. Bancroft machen und ahnungslos in eine Falle laufen.
Charles hatte sich noch immer nicht von dem Schreck erholt, Elizabeth vor sich zu sehen. Er, der stets stolz darauf gewesen war, daß nichts ihn aus Fassung bringen könnte, hatte jetzt das Gefühl, der Boden schwankte ihm unter den Füßen.
„Papa?“ rief Eliza ängstlich. „Papa? Was hast du?“
Die Stimme der Tochter riß Charles aus der Erstarrung, und seine Erschütterung wandelte sich in unbändige, maßlose Wut. Hätte es Connery, diesen Bastard, nicht mehr gegeben, wäre auch Elizabeth nie entführt worden. Sie an diesen Ort verschleppt zu sehen, kam einer Besudelung ihrer reinen, unschuldigen Seele gleich, und er schwor sich, Connery für die Schandtat büßen zu lassen.
„Papa?“ wiederholte Eliza verstört und schaute ihn furchtsam an.
Er zwang sich zur Besonnenheit, ging zum Bett und löste die Fesseln. Ehe er irgend etwas gegen Connery unternehmen konnte, mußte Elizabeth in Sicherheit sein. „Hab keine Angst, Schätzchen“, murmelte er beklommen. „Papa ist ja bei dir. Ich werde nicht erlauben, daß man dir weh tut.“
Schluchzend warf sie sich ihm in die Arme und stammelte: „Ich wollte ... Lady Sara ... besuchen ... nur einige Minuten. Doch vor Haddonfield House war ... ein Mann, der mir ... ein scheußlich riechendes Tuch auf den Mund preßte und mich... in eine Kutsche schleppte. Dann war ich plötzlich hier, und eine ... schreckliche Frau faßte mich an. Sie sagte, ich dürfe nie ... mehr ... nach Hause und müsse ...“
Ein Weinkrampf
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