Liebe und Vergeltung
bemerkbar.
Schließlich waren schlurfende Schritte zu vernehmen, und eine nicht mehr junge Frau öffnete dem Besucher. Sie hatte ein rundliches, gutmütiges Gesicht, das jedoch bereits von einem beschwerlichen Leben gezeichnet war.
„Mrs. Crawley?“ fragte Prinz Balagrini höflich.
„Ja“, murmelte sie und schaute ihn ängstlich an.
„Ich hätte gern mit Ihrem Mann gesprochen. Ist er daheim?“
„Ja“, antwortete sie und wies auf ein langgestrecktes Gebäude. „Er müßte hinter dem Stall sein.“
„Danke, Mrs. Crawley.“
Ein kleines Mädchen tauchte neben ihr auf, schmiegte sich an sie und wurde hastig in den Flur zurückgedrängt, ehe sie rasch die Tür schloß.
Mikahl wunderte sich über Mrs. Crawleys Verhalten. Irgend etwas war hier nicht in Ordnung. Gemächlich über den Hof gehend, betrachtete er die verkohlten Balken und niedergebrannten Mauern zweier Ruinen. Das mußte der Schober sein.
der im vergangenen Jahr in Flammen aufgegangen war. Man hätte ihn wiederaufbauen können, wenn genügend Geld vorhanden gewesen wäre. Daß Jethro Crawley es nicht besaß, sah man an den Schäden, die überall bemerkbar waren.
Der Bauer saß auf einer Bank und reparierte ein zerrissenes Halfter mit neuen Lederstreifen. Er blickte auf, als der Fremde sich näherte, hielt in der Beschäftigung inne und schaute ihn mißtrauisch an. „Was wollen Sie?“ fragte er barsch.
„Ich möchte mit Ihnen über den Prozeß sprechen, den Sie gegen die L & S angestrengt haben“, erklärte der Prinz.
„Ich habe Ihnen nichts zu sagen“, erwiderte Mr. Crawley und wandte sich wieder der Arbeit zu.
„Früher waren Sie nicht so zurückhaltend“, entgegnete Prinz Balagrini trocken. „Im Gegenteil, Sie haben sich zum Sprecher der Bauern gemacht, die nicht mit den von der Eisenbahngesellschaft offerierten Entschädigungen für die Landnahme einverstanden waren. Sie haben sie überredet, gegen die L & S zu klagen. Dann brach auf Ihrem Hof ein Feuer aus, und danach haben Sie und zahlreiche andere plötzlich die Klagen zurückgezogen. Auf einmal waren die meisten mit dem Angebot der Firma einverstanden. Ich frage mich, warum.“
Der Bauer legte das Pferdegeschirr beiseite, stand auf und sah den Prinzen drohend an.
Mikahl merkte jedoch, daß aus Crawleys abweisendem Blick auch eine gewisse Angst sprach.
„Scheren Sie sich von meinem Grundstück!“ herrschte Jethro Crawley den Fremden an. „Sie und Ihresgleichen haben mir schon genug Ärger gemacht!“
„Ich gehe erst, wenn ich erfahren habe, was ich wissen will“, erwiderte Mikahl unbeirrt.
„Verschwinden Sie!“ brüllte Crawley aufgebracht und kam mit erhobenen Fäusten auf ihn zu.
Im Nu hatte Mikahl den Bauern an den Handgelenken ergriffen und drückte ihm hart die Arme herunter. „Es war Weldon, nicht wahr?“ fragte er leise und ließ Crawley los.
„Woher wissen Sie das?“ Jäh hörte der Bauer auf, sich zu wehren, und starrte den Prinzen verblüfft an.
„Ich habe es mir zu Angewohnheit werden lassen, alles zu wissen“, antwortete Mikahl und ließ Crawley los. „Der Baronet ist nicht nur Ihr Feind. Auch ich bin ihm nicht wohlgesonnen. Wenn Sie mir erzählen, was hier vorgefallen ist, kann ich Ihnen vielleicht helfen, einiges von dem wiederzubekommen, was Sie verloren haben.“
Crawley setzte sich auf die Bank, rieb sich die Handgelenke und sagte, bedrückt die Schultern hängen lassend: „Ich hatte eine Hypothek aufgenommen und das Geld für den Ankauf von Land in Kanada verwendet, um meinem Ältesten eine Existenzgrundlage zu schaffen. Kurze Zeit später forderte die L & S für die Trassenführung ein großes Stück von meinem Besitz. Mit den dann verringerten Anbauflächen und Weiden wäre es mir schwergefallen, die Raten aufzubringen. Deshalb verlangte ich von der Bahngesellschaft entsprechende Ausgleichszahlungen. Sie wurden abgelehnt, und ich war genötigt, vor Gericht zu gehen, um nicht in finanzielle Schwierigkeiten zu kommen.“
„Was nun doch der Fall ist“, warf Mikahl ein.
„Ja.“ Crawley schluckte schwer und fuhr in verbittertem Ton fort: „Eines Tages kam Sir Charles Weldon mit seinem Sekretär zu mir und meinte, es wäre für mich besser, wenn ich mich mit dem ursprünglichen Angebot zufriedengäbe. Natürlich habe ich das Ansinnen abgelehnt und Weldon erklärt, ich wäre auf das Geld angewiesen und würde nicht mehr verlangen, als mir zustünde. Er entgegnete, ich wäre ein Dummkopf und sah mich mit einem Blick an, den ich
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