Liebe und Vergeltung
entflammte ein Streichholz und zündete die Zigarre an. Er hatte sich also nicht getäuscht. Weldon war tatsächlich so ver-kommen, wie er vermutet hatte, und obendrein so dumm oder überheblich, nicht darauf zu achten, daß man ihm auf die Sprünge kommen konnte. „Wie steht es um seine Finanzen aus den legalen Unternehmungen?“ erkundigte Mikahl sich und blies langsam den Rauch vor sich hin.
„Gemeinhin gilt der Baronet als erfolgreicher und begüterter Mann“, antwortete Mr. Slade, nahm eine weitere Akte zur Hand und schlug sie auf. „Die Wirklichkeit sieht jedoch ganz anders aus. Hätte er nicht die Einkünfte aus den im geheimen sprudelnden Quellen, wäre er längst bankrott. Gewiß, er ist ein gerissener Geschäftemacher, trifft seine Entscheidungen indes oft viel zu überstürzt. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat er mehrmals Beschlüsse gefaßt, die sich später als falsch erwiesen. Er war genötigt, Kredite aufzunehmen, mit deren Rückzahlung er seit langem im Verzug ist. Noch hat die Bank, die seine Schuldscheine hält, nicht eingegriffen, obgleich ich erfuhr, daß man bereits unruhig geworden ist. Offenbar hofft man immer noch darauf, daß er bald zahlungsfähig ist. Natürlich war es zu seinen Gunsten, daß er die Verlobung mit einer reichen Frau bekanntgegeben hat. Sie heißt Lady Sara St. James und ist das einzige Kind des Duke of Haddonfield. Vielleicht sind Sie ihr schon bei irgendeinem gesellschaftlichen Anlaß begegnet.“
„Ja“, bestätigte der Prinz knapp. „Welche Auswirkungen hätte es auf Weldons Finanzlage, wenn die Hochzeit nicht zustande käme?“
„Vermutlich sehr schlimme“, antwortete der Anwalt und hob eine Braue. „Haben Sie Grund zu der Annahme, daß aus der Ehe nichts wird?“
„Ich bin dessen sehr sicher“, sagte Mikahl und klopfte die Zigarre an einem geschliffenen Kristallaschenbecher ab. „Ich ermächtige Sie, in Finanzkreisen diskrete Andeutungen zu machen, daß Lady Sara ihre Entscheidung, Weldon zu heiraten, in Frage gestellt hat und überdenken will.“
„Ich habe das Gefühl“, erwiderte Benjamin Slade bedächtig, Je weniger ich über die Sache weiß, desto besser. Aber ich verspreche Ihnen, es wird bald ein offenes Geheimnis sein, daß der Baronet nicht mit der von ihm eingeplanten großen Mitgift rechnen kann. Gewiß, er kann sich eine andere, nicht minder reiche Frau suchen. Das kostet Zeit, die selbst einem gutaussehenden Mann mit exzellentem Leumund zu lang werden kann.“
„Können Sie sich vorstellen, ob die Bank, die ihm die Gelder vorgestreckt hat, willens wäre, die Schuldscheine einem anderen zu verkaufen?“
„Das ist im Bereich der Möglichkeiten“, antwortete der Anwalt und fügte warnend hinzu: „Wenn Sie der Käufer sind, werden Sie schwere Verluste hinnehmen müssen, falls Weldon in Konkurs geht.“
„Das stört mich nicht“, sagte Mikahl achselzuckend. „Ich werde mich in den Besitz der Schuldscheine bringen. Kaufen Sie die Papiere auf, aber über Ihre Scheinfirma, damit mein Name nicht ins Spiel kommt. Und nun möchte ich wissen, was Sie über die Eisenbahngesellschaft erfahren haben.“
„Die Übernahme der L & S war der klügste Schritt, den der Baronet seit Jahren unternommen hat“, meinte Benjamin Slade in anerkennendem Ton. „Seit ihm der Betrieb untersteht, ist die Finanzwelt hellhörig geworden und glaubt wieder an eine gewinnträchtige Zukunft der L & S. Ich bin sicher, die Aktien finden reißenden Absatz, wenn sie in der nächsten Woche auf den Markt kommen. Das investierte Geld, Sir, wird Ihnen guten Profit bringen.“
„Wissen Sie inzwischen, was wirklich hinter den von Weldon erwähnten Prozessen steckt?“
„Ich wollte eben darauf zu sprechen kommen“, antwortete Mr. Slade lächelnd. „Es ist gesetzlich geregelt, daß einer Eisenbahngesellschaft das zur Trassenführung benötigte Land überlassen werden muß. Allerdings hat sie Ausgleichszahlungen in marktüblicher Höhe zu leisten. Von Anfang an verfügte die L & S jedoch nicht über das notwendige Kapital. Deshalb wurden Grundstückseigentümer mit Summen abgespeist, die nicht dem Handelswert des Landes entsprachen. Verständlicherweise wandten die Betroffenen sich an die Gerichte. Ganz besonders ein Bauer aus Hampshire namens Jethro Crawley hat sich gegen die Unterbezahlung zur Wehr gesetzt. Natürlich kam es zwischen den beiden Parteien zu einer Verhärtung der Fronten, die in Crawleys Fall zu Konsequenzen führte.“ „Welcher
Weitere Kostenlose Bücher