Liebe und Vergeltung
Carlisles Landsitz hinter ihnen lag, bemerkte Mikahl erstaunt: „Du wirkst so zufrieden. Offenbar hat man dich in der Küche gut versorgt.“
Kuram lächelte. „Diese Engländerinnen sind ausgesprochen entgegenkommend, Sahib, und äußerst neugierig, was geheimnisvolle Fremde anbelangt.“
„Ich weiß“, stimmte Mikahl schmunzelnd zu. „Schließlich werde ich eine von ihnen heiraten.“
„Es ist ein Fehler, einer Frau einen Platz in Ihrem Leben einzuräumen“, erwiderte Kuram und schnaubte abfällig durch die Nase. „Mit einem Weib handelt man sich nur Ärger ein.“
„Mag sein“, räumte Mikahl achselzuckend ein. „Ich freue mich jedoch auf meine Ehe.“ Er trieb die Pferde zu größerer Schnelligkeit an und genoß es, sie temperamentvoll und feurig über die gerade Strecke preschen zu sehen. „Im übrigen naht der Winter“, fügte er trocken hinzu, „und die Nächte hier im Norden sind recht kalt. Abgesehen davon ist Lady Sara ein wahres Juwel.“
„Hm, sie ist rassig wie eine Araberstute“, erwiderte Kuram und nickte beifällig. „Weiber dieser Güteklasse sind jedoch die schlimmsten. Ein Mann braucht auch keineswegs eine Ehefrau, die ihm das Lager wärmt.“
„Du bist ein achtungsloser Spötter!“ entgegnete Mikahl gutmütig, fragte sich auf der Fahrt durch die Nacht jedoch, warum er mit seiner Entscheidung zu heiraten so zufrieden war. Fünfundzwanzig Jahre lang hatte er persönliches Vergnügen seinen Zielen untergeordnet, doch nun, da ein Ende des Rachefeldzuges in Sicht war, erfüllte ihn eine seltsame Ungeduld bei der Vorstellung, was nachher kommen würde. Er wollte endlich irgendwo heimisch werden, sich ein Zuhause schaffen, für sich und eine Frau, die zu ihm gehörte.
Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, mit einer Heirat zu warten, bis Weldon vernichtet war. Mikahl war klar, daß eine Familie unerwünschte Ablenkungen bedeuten konnte. Hätte er jedoch gezögert, Sulgrave Manor zu kaufen und um Sara anzuhalten, wäre ihm beides verlorengegangen. Er hatte frühzeitig gelernt, ein Geschenk der Götter nicht zurückzuweisen, da eine zweite Gelegenheit sich selten ergab. Sulgrave Manor war die steingewordene Verkörperung eines langgehegten
Traumes, und Sara ein lebendes Symbol des ersten Sieges über Weldon. Doch das allein hätte Mikahl nicht genügt, um mit ihr zu leben. Ihr Charme war liebenswert, ihre Ehrlichkeit, die herzliche Ausstrahlung und die stille, in sich ruhende Charakterfestigkeit. Selbstverständlich bedauerte er, daß er ihr so viel Kummer hatte zufügen müssen, aber es störte ihn nicht, mit welcher inneren Kraft sie sich zu wehren imstande war.
Er genoß es, in ihrer Nähe zu sein, und nahm sich vor, sein arglistiges Verhalten nach der Trauung gutzumachen, und auch die Unbeherrschtheit, mit der er Sara besessen hatte. Es überraschte ihn, daß sie eingewilligt hatte, seine Gemahlin zu werden, und er gelobte, sie sollte es nie bereuen.
Unversehens war alles das für ihn greifbar geworden, was er sich vom Leben ersehnte - ein Heim, eine wunderbare Gefährtin und der Mann, dem er Rache und Vernichtung geschworen hatte. Und mit einer Zuversicht, die nur dem unermüdlichen Kämpfer eigen ist, wußte er, daß nichts und niemand ihm das Erreichte nehmen konnte.
17. KAPITEL
Auf der Fahrt zum Hause des Bruders ließ Charles den Tag noch einmal an sich vorbeiziehen und lächelte boshaft.
Morgens war er in den von ihm frequentierten Clubs gewesen, und am Nachmittag hatte er alle notorisch bekannten Klatschtanten aufgesucht. Überall hatte er die Nachricht verbreitet, daß er genötigt gewesen war, die Verlobung mit Lady Sara St. James zu lösen.
Er bedauerte nur, daß er Saras Verhalten nicht in allen Einzelheiten schildern konnte, ohne taktlos zu wirken. Meister der vielsagenden Andeutung, der er jedoch war, hatte er bedeutungsvolle Pausen gemacht, ironisch die Braue gehoben und verächtlich die Lippen verzogen, wenn er seinen Worten damit einen schlüpfrigen Sinn geben konnte. Die Geschichte, daß Lady Sara sich dem Prinzen Balagrini an den Hals geworfen hatte, war allerseits begierig aufgenommen worden, und Charles wußte, bald würde die ganze Stadt sie kennen. Nicht umsonst hatte er sie einigen Damen erzählt, die sich vergebens um den Prinzen bemüht hatten. Nun würden sie Sara, die stets so Tugendhafte, mit Häme überschütten und sich zutuscheln, daß sie keineswegs besser war als andere, wahrscheinlich sogar schlimmer. Ihr Ansehen war in Verruf geraten
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