Liebe und Vergeltung
Balagrini nach einiger Zeit wieder zu den anderen gesellte.
Sara hoffte inständig, dies möge ein gutes Zeichen dafür sein, daß der Vater und ihr zukünftiger Gemahl gut miteinander auskommen würden, auch wenn sie wahrscheinlich niemals Freunde wurden.
„Was hältst du davon“, wandte Mikahl sich an seine Verlobte, „wenn wir ein wenig an die frische Luft gehen?“
„Ich bin einverstanden“, antwortete sie, erhob sich und begleitete ihn auf den Altan, da sie das Bedürfnis hatte, eine Weile mit Mikahl allein zu sein.
Die Pendule en cheminee hatte längst Mitternacht geschlagen, und der Mond übergoß die Weite des Gartens mit silbrigem Licht.
Unwillkürlich fühlte Sara sich an die Nacht erinnert, da Mikahl sie bewogen hatte, mit ihm zu tanzen. Wie lange schien das herzusein, doch in Wirklichkeit waren nur einige Wochen verstrichen. Sara war sich bewußt, daß sie sich verändert hatte. Mikahl hingegen war derselbe geblieben, der Mann, von dem sie damals geglaubt hatte, er könnte ihr gefährlich werden, und der jetzt ihre Zukunft bedeutete. Die Gedanken an das ungewisse Morgen verdrängend, bemerkte sie lächelnd: „Tante Marguerite hat heute abend zu mir geäußert, falls du das Gespräch mit Vater überlebst, mußt du aus hartem Holz geschnitzt sein. Da ich keine neuen Blessuren an dir feststellen kann, nehme ich an, daß ihr beide einen Waffenstillstand geschlossen habt.“
Mikahl legte Saras Hand in seine Armbeuge und erwiderte schmunzelnd, während er langsam über die Terrasse weiterschlenderte: „Im tiefsten Inneren lehnt dein Vater mich ab, ist jedoch viel zu wohlerzogen, um es mich spüren zu lassen. Vermutlich verhält er sich wie alle Vater, die eine Tochter an einen Ehemann verlieren.“
Sara war Mikahl dankbar, daß er die fehlende Begeisterung des Vaters für ihre Wahl auf so taktvolle Weise umschrieb. Einen Gedankensprung machend, sagte sie bedächtig: „Dein Name gefällt mir, Mikahl. Er klingt wie der bei uns gebräuchliche Vorname Michael. Wußtest du, daß der Erzengel Michael im Neuen Testament der Besieger des Satans ist?“
„Dann paßt der Name vielleicht doch nicht zu mir“, antwortete Mikahl und lachte leise. „Niemand würde mich je für einen Engel halten.“
„Nun, der Erzengel Michael ist der Rächer Gottes und der Schutzpatron aller Soldaten. Ein derart kriegerisches Wesen ist sicherlich nicht so fromm und demütig wie die himmli-schen Heerscharen, die nur singen, sich auf Harfe begleiten und Gottes Lob singen. Meinst du nicht auch?“
Mikahl warf ihr einen kurzen Blick zu und sagte trocken: „Dann ist Michael vielleicht doch ein für mich geeigneter Name, wenn damit das Bild eines strafenden Racheengels verbunden wird.“ Am Ende der Terrasse blieb er stehen, schaute Sara bewundernd an und bemerkte warmherzig: „Es gefällt mir, mit dir verlobt zu sein. Jetzt kann ich dich endlich betrachten, sooft ich will, ohne gleich als unhöflich zu gelten. Im Gegenteil, es verleiht mir einen Hauch von Romantik. Und ich gestehe, daß ich dich heute abend ganz bezaubernd finde, meine Liebe.“
Die unverhohlene Wertschätzung, die aus seinem Blick und den Worten sprach, schmeichelte ihr, machte sie jedoch auch ein wenig unsicher. „Es ist ein Wunder, daß ich pünktlich zum Dinner erscheinen konnte“, erwiderte sie verlegen. „Ich habe kurz vorher meine Zofe entlassen, und Tante Marguerites Mädchen mußte mir zur Hand gehen.“
„Warum hast du Doreen gekündigt?“ fragte Mikahl und hob erstaunt eine Braue.
Sara merkte, daß es ratsamer gewesen wäre, das Thema nicht zu berühren, und antwortete zögernd: „Sie war ... nun, sie war mir zu impertinent.“
„Vermutlich hat sie sich sehr abfällig über mich geäußert. Dann ist es sicher besser, wenn du mir ihre Worte nicht wiederholst.“
„Ja, das meine ich auch.“
„Hast du bereits jemanden im Auge, der ihre Stelle einnehmen soll?“ erkundigte Mikahl sich beiläufig. „Falls nicht, könnte ich dir jemanden empfehlen, der mir geeignet erscheint. Sie hatte kein gutes Leben, ist jedoch aufgeweckt, willig und sehr anstellig. Zur Zeit hat sie noch keine Erfahrungen als Zofe, da sie erst lernt, was in einer solchen Position verlangt wird.“
„In welcher Hinsicht hat das Schicksal ihr übel mitgespielt?“
„Das ist eine häßliche Geschichte“, antwortete Mikahl ernst und überlegte, wie Sara auf die Wahrheit reagieren mochte. Sie beobachtend, fügte er ruhig hinzu: „Das Mädchen wurde in jungen
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