Liebe und Verrat - 2
mir hinters Ohr. »Natürlich nicht sofort. Wir müssen erst die fehlenden Seiten finden und die Seelen bannen. Aber danach … Nichts würde mich glücklicher machen, als ein gemeinsames Leben mit dir auf Altus. Und fühlst du es nicht selbst? Das Band zwischen dir und diesem Ort?«
Ich kann es nicht leugnen. Ich nicke. Ich bin überwältigt, über alle Maßen geschmeichelt und gleichzeitig zu Tode verängstigt angesichts dessen, was meine Zukunft – einstmals so sicher und verlässlich wie die aufgehende Sonne – für mich bereithalten mag.
»Was ist, wenn ich meine Welt nicht verlassen will?« Diese Frage muss ich stellen.
Er beugt sich zu mir und küsst mich sanft. Seine Lippen ruhen auf meinen und lösen sich dann, schweben über meinem Mund, sodass ich sie fast fühlen kann, als er sagt: »Dann werde ich mit in deine Welt kommen.«
Er küsst mich wieder, aber als ich die Augen schließe, ist es nicht Dimitris Liebeserklärung, die in meinem Geist widerhallt, sondern die Schwüre eines anderen Mannes, ausgesprochen vor langer Zeit.
Ich zucke zusammen, als Luisa ins Zimmer gestürmt kommt und die Tür hinter sich zuwirft.
»Das ist lächerlich, Lia! Einfach lächerlich!« Sie breitet die Arme aus, sodass die Ärmel ihres lilafarbenen Gewandes auf ihre zarten Handgelenke fallen. Der Stoff ist ein paar Töne dunkler als derjenige unseres Tagesgewandes. Das Gewand, das Una mir gebracht hat, hat die gleiche Farbe. »Wir müssen das hier zum Abendessen tragen!«
Ich lache über das Entsetzen in Luisas Stimme. »Ja, das tragen die Schwestern auf Altus nun einmal.« Ich gebe mir alle Mühe, aber es klingt so, als ob ich mit einer Fünfjährigen reden würde.
»Sei nicht so herablassend«, fährt sie mich an. »Du weißt genau, was ich meine. Wir können doch nicht zu unserer ersten großen Abendgesellschaft auf Altus gehen und … so etwas tragen!« Sie deutet auf ihren in Seide gehüllten Körper und wiederholt noch einmal fassungslos: » So etwas !«
Ich schüttele den Kopf. »Was hast du denn gemacht, während ich schlief? Was hast du da getragen?«
»Ich habe meistens in meinem Zimmer gegessen, und daher spielte es keine Rolle, was ich anhatte. Ich glaube, sie haben mit dem großen Fest gewartet, bis es dir wieder besser geht.«
Der Atem verfängt sich in meiner Kehle. Ich bin noch nicht bereit, der gesamten Inselbevölkerung vorgestellt zu werden. »Was für ein Fest?«
Sie schlendert zum Bett, wirft sich rücklings darauf und spricht zur Zimmerdecke. »Ich weiß auch nicht genau. Aber ich denke nicht, dass es etwas richtig Besonderes sein wird. Ich habe gehört, wie ein paar der jüngeren Mädchen meinten, es sei ›ungebührlich‹, ein fröhliches Fest zu feiern.«
Ich denke an Tante Abigail, die in diesem Augenblick um ihr Leben kämpft, und ich muss den Mädchen, die Luisa zitiert hat, zustimmen.
Luisa setzt sich auf. »Trotzdem, Lia … Ich hätte so gerne etwas Hübsches zum Anziehen. Du nicht auch? Vermisst du nicht all deine schönen Kleider?«
Ich zucke mit den Schultern und betaste die zarten violetten Falten, die meine Beine umschmeicheln. »Ich gewöhne mich langsam an diese Gewänder, und sie sind doch wirklich bequem, nicht wahr?«
Ich gehe zum Spiegel, um mein Haar aufzustecken, und hätte fast die Person, die mir von dort entgegenblickt, nicht erkannt. Dies ist das erste Mal seit London, dass ich mein Spiegelbild betrachte. Ich habe mich verändert, und ich frage mich, ob es Veränderungen zum Besseren sind. Spontan beschließe ich, mein Haar offen zu tragen, sodass es mir lockig auf die Schultern fällt. Dann wende ich mich vom Spiegel ab.
»Ich würde die Mode jederzeit der Bequemlichkeit vorziehen, und heute ganz besonders«, seufzt Luisa, und ihre düstere Miene erregt mein Mitgefühl.
Ich gehe zum Bett und setze mich neben sie. »Und warum ist heute ein so besonderer Tag?«
Sie zuckt mit den Schultern, aber das Lächeln, das sich in ihre Mundwinkel stiehlt, verrät sie. »Ach, nur so.«
»Ich verstehe. Es hat also nichts mit … tja, ich weiß auch nicht … vielleicht mit einem bestimmten Bruder zu tun, der zufällig hier auf der Insel lebt?«
Sie muss lachen. »Ja, ja, schon gut! Ich würde mich wirklich gerne für Rhys hübsch machen. Was ist daran falsch?«
»Gar nichts.« Ich stehe wieder auf. »Aber betrachte es doch einmal so: Wenn du heute bei Tisch in einem Abendkleid erscheinen würdest, würde Rhys dich vermutlich für eine eingebildete Gans halten.«
Ich
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