Liebe und Völkermord
hochnäsigen Agha Bilad verachtet hatte. Muhammad verabschiedete sich von ihnen und verließ das Zelt des Jüsbaschi. Mustafa hielt den Preußen noch bei sich. Er wollte einen ausreichenden zeitlichen Abstand zwischen dem Abgang seiner beiden Gäste wissen, denn er befürchtete, sie könnten sich draußen über den Weg laufen und sich aufeinander stürzen. So erzählte der Türke dem Deutschen, woher sein köstlicher Wein stamme. Angeblich sei er aus Südspanien, aus Andalusien. Dort würde es angeblich immer noch viele muslimische Händler und so auch Winzer geben. Einst sei Spanien in muslimischer Hand gewesen. Der Deutsche fand das Thema interessant und bat den Türken, ihm mehr darüber zu erzählen.
Was der Agha dem Fremden aus Europa erklären wollte, aber nicht richtig in Worte fassen konnte, war, hier in dieser Region lebten Menschen von Ehre. Die Menschen starben bereitwillig für ihre Ehre. Und die Europäer würden kein Ehrgefühl kennen. So seien sie die wahren Barbaren und nicht jene, welche der Preuße als solche geschimpft hatte. Heinz hatte zwar die Afrikaner gemeint, doch interpretierte Muhammad aus seinen Bemerkungen heraus, er würde indirekt auch sie, die Kurden, damit meinen. Sein Volk war genauso wie jene Afrikaner ungebildet und demzufolge wohl ebenfalls barbarisch in den Augen des Deutschen.
Heinz jedoch war so naiv und auch übermütig, er nahm den Kurden nicht ernst. Auf seinem Weg zu seinem Zelt lachte er einmal laut. Der Kurde sei schlau, das hätte er nicht gedacht. Hatte er doch die einheimischen Völker für primitiv, ungebildet und einfältig gehalten. Und dennoch hielt er sich und sein Volk für überlegen. Sein Volk sei nun einmal viel mächtiger als diese Völker des Ostens. Sie selbst hätten ihr Reich kraft ihres Verstandes aufgebaut. Diese Asiaten seien geistig rückständig. Natürlich sprach er niemals offen seine wahren Gedanken vor seinen hiesigen Verbündeten aus. Sein Blick auf die Einheimischen, mit ihren Gepflogenheiten und Bräuchen, und vor allem ihrem Charakter und ihrer Einstellung zum Leben, war zu einseitig. Für ihn waren sie alle gleich. Gewiss existierten Deutsche, welche nicht so eingestellt waren wie er. Doch ihm waren diese Orientalen einfach nur gleichgültig und nur ein Werkzeug für einen größeren und rein eigennützigen Zweck. Im Gegensatz zu seinem Adjutanten Johann Lieb gedachte er nicht, seine Zeit mit dem Grübeln über die Mentalität der Einheimischen zu verschwenden.
Das Heer des Ali Pascha zog zehn Kilometer nach Südosten und danach geradewegs nach Osten in Richtung Iwardo. Über diesen Weg kamen sie an den unweit vom Dorf Ehwo entfernten Bergen und Tälern vorbei. Dort angelangt rasteten sie einen Tag lang. Sie hatten nur noch einen Marsch von zwei Tagen vor sich, um Iwardo zu erreichen. Sie marschierten in einer kilometer-langen Kolonne von Zweierreihen. Im Falle eines Angriffs aus den Bergen hätte ihr Feind nur wenige von ihnen auf einen Schlag angreifen können und sie, die Türken, hätten ausreichend Zeit gehabt, um sich zu formieren und zurückzuschlagen.
Ganz am Ende der Kolonne saß der Pascha auf seinem Ross, an seiner Seite sein erster Offizier Orhan.
Auf ihrem Marsch trocknete die Sonne ihre Kehlen aus. Ihre Feldflaschen leerten sich und sie hielten sogleich Ausschau nach dem Fluss Tigris, um sie mit Wasser nachfüllen zu können. Dafür mussten sie einen Umweg machen, wie ihr Späher ihnen mitteilte. Der Pascha ermahnte seine Männer, sie sollten ausharren, bis zum Ziel sei es nicht weit und sie sollten sparsam mit ihren Vorräten umgehen. Sie überquerten einen Hügel östlich des Tales und rannten wie sich freuende kleine Kinder den Hang herunter zum Fluss. Einige von ihnen stürzten sich sogar in voller Rüstung in den Fluss. Die anderen beugten sich vor und tranken vom Flusswasser. Ümit, jener ungestüme junge Bursche, welcher den Abuna Malke neben dem Imam Musa Ibrahim geköpft hatte, und sein bester Freund Hassan waren auch unter den Männern am Fluss. Hassan spuckte das Wasser wieder aus. Ümit schaute ihn verwundert an. „Was ist los?“
„Es ist verseucht. Trinke nicht daraus! Trinkt nicht daraus!“
Hassan schrie laut um sich herum. Die Männer hielten inne, die vom Hügelhang herannahenden blieben auf ihrer Stelle stehen.
Ümit schlug mit seiner rechten Hand in den Fluss hinein, zog dann seine Hand heraus und ließ das Wasser von seiner Augenhöhe aus seiner Hand herab fließen. Er schärfte seine Augen
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