Liebe und Völkermord
ahnende Danho wurde von Murad überrumpelt. Sein Gewehr fiel ihm aus der Hand. Murad sprang auf die Leiche seines Vaters und fing das Gewehr des Danho mit seiner linken
Hand auf. Hastig wandte er sich um, zielte auf Danho und schoss. Steifo und Makko schauten erschrocken. Sie richteten ihre Waffen auf Murad.
Nun schrien alle in der Menschenmenge auf. Ablahad und Isa bahnten sich den Weg durch die Menge frei. Sie rannten auf Murad zu. Dann schoss Steifo doch noch auf Murad und tötete ihn. Johanna kam aus dem Haus heraus, schrie und klagte um ihren toten Sohn. Sie fluchte und beschimpfte Steifo und Makko. Steifo war traumatisiert wegen dem Tod seines geliebten Bruders und zielte nun auf Johanna. Makko griff nach Steifos Waffe und riss sie ihm aus der Hand.
Alle hatten den Verstand verloren. Seltsamerweise rannte Fuad, der Sohn des Ibrahim, welcher eigentlich den Söhnen des Muksi Antar wohlgesonnen war, herbei und stürzte sich auf Steifo. Er schwor laut, er würde Steifo zu Tode prügeln. Makko seinerseits beruhigte sich und ließ davon ab, sein Gewehr zu benutzen. Er warf seine Waffe weit weg und packte den Fuad an den Schultern und hielt ihn im Schwitzkasten. Johanna ihrerseits stand auf und schwor, so lange mit ihren Händen auf Steifo einzuschlagen, bis er tot sei. Isa umklammerte die Frau mit seinen Armen und riss sie vom am Boden liegenden verletzten Steifo weg.
Niemals hatte sich Pater Petrus vorstellen können, Zeuge einer solch unglaublichen Tragödie zu sein. Er hatte versucht, dem um sich schlagenden Muchtar Einhalt zu gebieten, doch jener hatte ihn nicht einmal beachtet. Niemand hier beachtete ihn. Keiner hatte Respekt vor seiner Autorität als Geistlicher und neuer Pfarrer des Dorfes. Wahrscheinlich sei er keine Führerperson, dachte er. Wenn Abuna Isa noch der Dorfpfarrer dieser Gemeinde gewesen wäre, dann hätte sich dieses Blutbad niemals ereignet, dachte er. Und niemals vor seinen eigenen Augen. Also gab er sich die Schuld an dieser Tragödie. Er kniff seine Augen zu und presste seine Zähne zusammen. Seine Arme streckte er weit auseinander. So laut schrie er, er übertönte alle anderen im Chaos. Er schrie all den Schmerz im Inneren seiner Seele aus sich heraus. Er schrie und schrie. Seine Kehle schmerzte und er keuchte einmal, doch schrie er weiter. Und dann – endlich – wurde es still.
Iwardo
Die Truppen des Ali Pascha trafen einen Tag später, am frühen Morgen, nach denen des Mustafa Ali Bey und Agha Muhammad Ali auf der Anhöhe gegenüber vom Dorf Iwardo ein. Die Flüchtlinge aus Kafro und den anderen umliegenden Dörfern waren bereits hier eingetroffen. Die Einwohnerzahl des Dorfes stieg rapide von gerade einmal 500 auf 10000 an. An den drei Aus- und Eingängen des Dorfes hatten die Aramäer mit Erde, Steinen und Holz Schutzmauern errichtet. Die Menschen weilten überall, es gab kaum Platz für alle. Sie quetschten sich in die Häuser, sie drängten sich in die große Mor Huschabo-Kirche, die Sankt Dominikus-Kirche. Ihre Zahl war so groß, einige ältere Menschen wurden sogar im Wirbel der Menschenmenge zerquetscht und starben wenige Tage danach.
Die Muslime versammelten ihre Heere auf der Talebene nördlich des Dorfes. Links und rechts von ihnen aus erstreckten sich große Hügel, sie waren so groß wie Berge und flößten dem Betrachter bisweilen große Angst ein. Vor ihnen lag die von den Christen errichtete provisorische und leicht zerstörbare Mauer von Iwardo. Dahinter führte der Weg hinunter zum Dorf und genau in der Mitte befand sich der hohe Hügel mit der dem heiligen Dominikus geweihten Klosterfestung.
Gleich nachdem das Heer des Ali Pascha eingetroffen war, bat Generalmajor Heinz Sturm um eine Audienz bei Seiner Exzellenz. Als Heinz eintrat, war Orhan im Zelt zugegen, in Schweiß gebadet und mit tiefroten Augen. Das Gesicht des Paschas war verzogen. Offenbar war es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern gekommen, vermutete der Deutsche. Orhan verneigte sich vor dem Agha und dem Deutschen und hinkte aus dem Zelt hinaus.
Heinz freute sich, seinen türkischen Freund wiederzusehen. Er lächelte und verneigte sich vor ihm. Der Pascha kam auf ihn zu und nahm seine rechte Hand. „Aber, mein Freund, Ihr müsst Euch nicht vor mir verneigen. Das habe ich Euch schon letztes Mal in meinem Haus gesagt.“
Sturm lachte kurz auf und nickte dann. Der Pascha bat ihn, sich auf die Matte vor dem vor seiner Matte stehenden Nachttisch zu
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