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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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sich zurück und beriet die Muslime nicht bei der Vorbereitung ihres Angriffs auf Iwardo. Er wartete auf das Eintreffen seines Freundes Ali Pascha. Das war die erste Schlacht gewesen, bevor das Heer des Ali Pascha eingetroffen war.
    In der Nacht festigten Isa und seine Kafroje die Schutzwälle. Zwischen den aufgetürmten Steinen ließen sie kleine Freiräume, Löcher, in die die Läufe ihrer Gewehre hindurchpassten.
    In der Nacht löste Isa, zusammen mit seinem Jugendfreund Skandar, die Wache seiner Neffen Danho und Hanna ab. Sie blieben vor der Mitte der Mauer, der wichtigsten Stelle, da sie dort am leichtesten zu durchbrechen war, stehen. Dort harrten sie aus. Auf dem Boden saßen sie mit dem Rücken an die Wand gelehnt, und standen abwechselnd auf und hielten, durch die Schießlöcher guckend, nach feindlichen Soldaten Ausschau. Bis zum Morgengrauen und bis zum Mittag blieben sie wach.
    Bis nach Mitternacht hörten sie das Lachen und Gegröle der Muslime. Bisweilen traten einzelne Gruppen von ihnen näher heran und schrien den Aramäern die übelsten Beschimpfungen entgegen. Skandar wurde wütend, Isa beruhigte ihn. Sein Gewehr hatte er rechts neben sich gelegt, aufrecht, mit dem Lauf an die Wand gelehnt. „Sie wollen uns nur provozieren und unsere Kampfmoral schwächen. Das zeigt doch nur, dass sie Angst haben.“
    Skandar rührte sich nicht von seinem Posten. Er dachte über Isas Worte nach. Er stand die ganze Zeit über aufrecht, sein Rücken war gekrümmt. Seine Nasenspitze war an den Stein gedrückt. Er nickte. „Du hast recht. Sie haben Angst. Sie haben nicht damit gerechnet, dass wir uns erfolgreich wehren können.“
    Isa schwieg darauf eine Weile lang. Dann vernahm Skandar ein unterdrücktes Weinen. Er schaute nicht zu seinem Freund herab. „Woran denkst du, Isa?“
    Isa hob seinen Kopf, wischte mit seiner rechten Hand die Tränen von den Augen weg und atmete erst tief durch. „Ich dachte an all unsere Schwestern und Brüder, die von den Teufelsanbetern abgeschlachtet wurden. Daniel hat mir erzählt, sie haben die Dörfer um Mardin und um Midjat herum vernichtet. Kein einziger unserer Brüder soll überlebt haben. Das sind keine Menschen, Skandar!“
    „ Wir waren ahnungslos. Sie haben uns überrascht. Diese feigen Türken haben uns nicht mal eine Kriegserklärung geschickt. Aber dennoch, wir haben überlebt, und wir werden ihnen Iwardo niemals übergeben!“
    „ Meine geliebte Maria! Ich werde mir das nie verzeihen.“
    „ Nicht nur zehn und nicht nur hundert sondern tausend Brüder des Türken, der sie entführt hat, werden für ihr Blut zahlen, Isa! Das verspreche ich dir, mein Bruder.“
    „ Weißt du noch, als wir jung waren, Skandar. Wir waren so naiv und dachten, wir würden unser ganzes Leben lang glücklich leben.“
    „ Wir werden diesen Krieg überleben, mit Gottes Hilfe, Isa! Wir werden wieder in unser Dorf zurückkehren und friedlich als sehr alte Männer sterben. Das waren nicht die Träume von Jugendlichen, Bruder. Ich verspreche es dir.“
    Skandar war, im Gegensatz zu Isa, stets ein Optimist. Er war glücklich, er hatte seine Jugendliebe Chasme, die damals hübscheste Frau des Dorfes, für sich gewonnen und mit ihr sechs Kinder gezeugt. Chasme liebte ihn auch. Er sah nicht nur gut aus, er war romantisch veranlagt. Jeden Tag brachte er seiner Geliebten eine der schönen Blumen von der Weide mit. Und selbst nach zwanzig Ehejahren konnte er ihr auf diese Weise tagtäglich ein liebevolles Lächeln entlocken. Reich waren sie nicht und eine Herde wie Isa besaßen sie ebenfalls nicht. Skandar hatte von seinem Vater ein großes Feld auf der Hinterseite des Südhügels von Kafro geerbt. Dort hatte er Wein angebaut. Vom Ertrag der Ernte konnte er seine Familie über die Runden bringen. In den letzten zehn Jahren hatten sich die beiden Männer nur noch selten gesehen. Isa hatte sich mehr und mehr von der Außenwelt abgeschottet und hatte nebenbei noch gegen den Kurden Mahmud einen kalten Krieg geführt.
    Gerne hatte sich Isa einen Sohn gewünscht, aber das war nun schon lange her. Maria wollte er mit einem der drei Söhne des Skandar verheiraten. Seine Tochter und auch er waren der Meinung, sie sei noch zu jung gewesen. Skandar hingegen hatte es als eine Abweisung aufgefasst, hatte dies jedoch Isa nie gesagt.
    Nun lachte Skandar. Isa schaute verwundert zu ihm auf.
    „Weißt du noch, als wir davonrannten, ich stürzte und das Schwein mich beinahe gerammt hätte? Du hast mir das Leben

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