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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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zorniger und motivierte sie umso mehr, gegen die Moslems weiterzukämpfen.
    Der Pascha erkannte, er hatte einen großen Fehler gemacht, doch war ihm keine andere Wahl geblieben, um seine Soldaten bei Laune zu halten.
    Unterdessen berieten sich hinter dem Schutzwall Isa aus Kafro und der Dorfälteste Daniel. Daniel sagte, er befürchte, die Muslime würden niemals abziehen und irgendwann mit voller Kraft das Dorf angreifen. Isa teilte seine Sorge. Sie würden sich früher oder später in die Klosterfestung des Dorfes zurückziehen müssen.
    Ein Dorf der Jesiden, zwei Kilometer nordöstlich von Iwardo gelegen, sagte den Aramäern seine Unterstützung zu und lieferte ihnen nachts heimlich Proviant.
    Ihnen ging allmählich die Munition aus. Isa befahl, nicht mehr wahllos auf die Moslems zu schießen. Sie müssten irgendeine Lösung für ihr Problem.
    Am nächsten Tag hielten sich die Muslime am Mittag noch zurück, dann griffen sie am späten Nachmittag erneut die Christen an, blieben aber auf halber Strecke der Talebene zwischen ihnen und der Schutzmauer des Dorfes stehen. Der Raum für die tausenden Soldaten der Muslime wurde enger. Schließlich verfolgten sie die Strategie, alle drei Zugänge des Dorfes gleichzeitig anzugreifen. Die Männer des Ali Pascha persönlich zogen über die Nordseite über das Tal um das Dorf herum und griffen die Südseite des Dorfes an. Die Männer des Jüsbaschi zogen ostwärts und griffen die Aramäer von dieser Seite an.
    Die Lage war für die Aramäer aussichtslos geworden. Sie hielten sich hinter der Schutzmauer gedeckt. Schließlich griffen die Muslime an allen drei Stellen frontal an. Isa befahl seinen Männern, sich in das Kloster Mor Huschabo zurückzuziehen.
     
    In der Hauptkapelle des Klosters betete der Bischof Mor Philoxenos Juhanun Schabo. „Mor“ bedeutete „Herr“ auf Aramäisch. Es wurde für die Bezeichnung der Heiligen und als Ehrentitel der Bischöfe und Patriarchen der aramäischen Kirchen verwendet. Der erste Bischofssitz dieser Kirche lag in Antiochia. Petrus, der Apostel Christi, hatte ihn begründet. Der Bischof von Antiochia war der erste Bischof der Kirche und damit Patriarch. Der Tur Abdin war in fünf Diözesen aufgeteilt. Der Patriarch befand sich zu dieser Zeit in Mardin. Viele Bischöfe und Mönche waren bereits Opfer der Türken und Kurden geworden. Die fünf Diözesen waren zu nur einer einzigen geschrumpft. Nun kämpfte die Kirche des Tur Abdin um ihr Überleben. Philoxenos und die vielen Mönche und sonstigen Priester beteten Tag und Nacht in der Kapelle gemeinsam mit den Frauen und Kindern und den alten Männern. Die Aramäer waren in verschiedene christliche Glaubensgemeinschaften gespalten. Neben denen, welche der Gemeinschaft ihrer Urahnen treu geblieben waren, die sogenannten Syrisch-Orthodoxen, existierten noch die Syrisch-Katholischen und die Syrisch-Evangelischen, welche allgemein hin Protestanten genannt wurden. In den Jahrzehnten zuvor hatten katholische und protestantische Missionare aus Frankreich und Großbritannien große Erfolge bei der Missionierung der Aramäer verzeichnen können. Inzwischen war die Anzahl der Katholiken und der Protestanten unter den Aramäern stark angewachsen. Auch sie flüchteten aus ihren Dörfern hierher nach Iwardo. Die Zahl der Katholiken betrug 600 und die der Protestanten 300. Die Protestanten ihrerseits waren in Anglikaner, Lutheraner und Calvinisten gespalten. Sie bewahrten jedoch ihre aramäischen Traditionen. Die Katholiken ernannten ihren eigenen Patriarchen von Antiochia, welcher nur dem Papst unterstand. Stets bestätigte der Papst ohne Einspruch seine Ernennung. Auch die Protestanten ernannten wie die Orthodoxen ihre Dorfpfarrer selbst. Die Sprache ihrer Liturgie war weiterhin das Aramäische. Im Grunde also hatten sie nur die Struktur ihrer Kirche geändert und ihren Namen und sich den europäischen Kirchen untergeordnet.
    Hier nun waren sie eins. Auch wenn viele Aramäer den Abfall ihrer Schwestern und Brüder von ihrer Mutterkirche nicht billigten, so blieben sie dennoch einander verbunden. Sie waren immer noch eine große Gemeinschaft, immer noch Aramäer.
    Daneben gab es noch die Mhalmoje. Jene waren zum Islam konvertierte Aramäer. Ihre Zahl war nun besonders in den letzten Monaten rapide angestiegen. Waren viele Aramäer bereit, den Märtyrertod auf sich zu nehmen, waren dennoch nicht alle von solch großer Charakterstärke und traten zum Islam über, um ihr eigenes Leben und das ihrer

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