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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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Familie zu retten. Obwohl sie von nun an die Brüder der Kurden und Türken geworden waren, fühlten sich jene immer noch mit ihren aramäischen Brüdern verbunden. In diesen Zeiten aber war es für sie zu riskant, den Christen heimlich zu helfen.
    Dann lebten ebenfalls noch Armenier und Griechen im Tur Abdin. Hierher nach Iwardo waren sie jedoch nicht gekommen.
    Der Vertreter der Katholiken war Mönch Gabriel Michel, der aller Protestanten Pfarrer Aljas John. Michel entstammte der Sippe des Musa Ablahad aus dem aramäischen Dorf Msisah und John der des Isa aus Midjat. John wurde von dem Vorsitzenden der anglikanischen Pfarrer, Isa Makko James aus Midjat, und von dem Vorsitzenden der lutherischen Pfarrer, Benjamen Qurijo Richard aus Dijabakir, und von dem Vorsitzenden der calvinistischen Pfarrer, Daniel Isa Robert aus Hassankef, zu ihrem Vertreter ernannt.
    Philoxenos war der Abt des Klosters Mor Gabriel. Er betete zu dieser Mittagsstunde vor. Er sprach das „Vater unser“ mehrmals und das „Ave Maria“ und danach das Gebet der Heiligen „Mor Moran Qadische“. Sein goldenes Gewand – eigentlich zog er es nur zu den hohen Festtagen an, nämlich Ostern und Weihnachten – legte er an diesen Tagen nicht ab. Selbst als er sich zum Schlafen legte, zog er es nicht aus. Er trug einen langen grauen Bart, von seinen Wangenknochen abwärts bis unterhalb seines Brustkorbs. Der Bart symbolisierte seine Vorrangstellung unter den Klerikern und seine Belesenheit und Gelehrsamkeit. Er beherrschte sieben Sprachen, Altaramäisch und Neuaramäisch, Kurdisch und Türkisch, Arabisch, Altgriechisch, und Englisch. Wegen seiner Bildung zollten auch die Vertreter der anderen Kirchen ihm Respekt. Im Altarraum standen direkt hinter ihm Mönch Gabriel Michel und Pfarrer Aljas John. Als der Bischof sich umdrehte, um den anwesenden Gläubigen den Segen zu spenden, verneigten sich der katholische Mönch und der protestantische Pfarrer vor ihm.
    Philoxenos war 50 Jahre alt. Mit zwölf Jahren schon hatte er sich für das Priesteramt entschieden, und im Alter von gerade einmal 20 Jahren war er im Kloster Mor Gabriel zum Mönch geweiht worden. Zehn Jahre später ging er zum Mor Malke-Kloster des Dorfes Charabale und wurde nach seiner Rückkehr zum Abt des Klosters Mor Gabriel ernannt. In jenen zehn Jahren im Kloster Mor Gabriel hatte er sich all das viele Wissen in der großen Bibliothek des Klosters angeeignet. Zu jener Zeit war er auch vielen Mönchen und Pfarrern der anderen christlichen Gemeinschaften begegnet, hatte mit ihnen einen interreligiösen Dialog geführt und pflegte freundschaftliche Beziehungen zu ihnen. Seine noble und nette Art sowie seine Eloquenz imponierte nicht nur seine Klosterbrüder sondern auch einem jeden Gläubigen, welcher ihn kennenlernte.
    Nun, nach einer halben Stunde des ununterbrochenen Gebetes, eine halbe Stunde nach der Mittagsstunde, wollte er sich zu einer Beratung mit den Vertretern der anderen Glaubensgemeinschaften zurückziehen, trat zur Seite, hob seinen linken Arm und bat mit dieser Geste den Abt des Mor Huschabo-Klosters, Juhanun Isa, den Gottesdienst an seiner statt weiterzuführen.
    Er hob seine rechte Hand und führte Gabriel Michel und Aljas John in die rechte Ecke der Kapelle. Dort konnten sie, ohne gehört zu werden,  diskutieren. Die Frauen mit ihren Kindern beteten weiter, sie bekreuzigten sich und sprachen die Gebete des Abtes nach.
    „ Die Moslems und ihre Obersten sagten zu uns, sie würden nur euch verfolgen, da ihr Beziehungen zu den Europäern pflegen würdet und somit in diesen Zeiten des Krieges des Osmanischen Reiches gegen die europäischen Mächte Feinde des Reiches wäret. Doch sie lügen. Wir Christen müssen jetzt zusammenhalten, bis zum Ende!“, sprach Philoxenos die beiden Geistlichen an.
    „ Sejdna („mein Herr“), wenn Christus dieses Schicksal für uns bestimmt haben sollte, werden wir Euch bis in den Tod folgen“, versicherte ihm der Katholik Gabriel Michel.
    „ Wir ebenso“, schloss sich der Protestant Aljas John dem Katholiken an und verneigte sich dabei vor dem orthodoxen Bischof.
    Philoxenos nickte. Gabriel Michel beugte sich vor und küsste die rechte Hand des Bischofs, danach tat es Aljas John ebenso.
    Der Bischof wandte sich darauf den Gläubigen zu und sprach mit kräftiger Stimme: „Wir entstammen dem großen Geschlecht des Aram, Sems Sohn. Wir sind die Erben dieses Landes und es gehört rechtmäßig uns. Wir sind die ersten Christen der Geschichte und

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