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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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der pure Irrsinn, sich dorthin in das Tal zu begeben. Doch Gott sei auf seiner Seite.
    Er verweilte bis Mitternacht oben auf dem Hügel südlich des Dorfes. Auf dem Hang, zwischen dichten Bäumen und Sträuchern, hinter dem Gipfel des Hügels, wähnte er sich sicher vor den Soldaten der Muslime. Seine Augen waren schlaff, doch riss er sie immer wieder auf. Seine Füße waren angeschwollen. Als er Iwardo aus der Ferne erblickte, das Mor Huschabo-Kloster, aus etwa zehn Kilometern, war er so glücklich darüber, die Fassade der Festung zu sehen und rannte los. Er war über einen handgroßen Stein gestolpert und seine Sandalen waren seitdem untauglich. Er hatte sie weggeworfen und ging seitdem barfuß.
    Kurz nach Mitternacht wagte er es, auf den Gipfel hinauf zu steigen und auf das Tal zu spähen. Nur noch ein leises, weit von ihm entferntes Gelächter der Soldaten konnte er hören. Geduckt klomm er den Hang hinab. Er schaute nach rechts und links. Als er unten ankam, schaute er nur noch geradeaus. Sein Herz schlug schneller. Das erste Zelt befand sich zehn Schritte von ihm entfernt. Er sah keinen Wächter hier. Sofort trat er aus seinem Versteck hinter dem Baum hervor und rannte zum Zelt. Es war still. Dann erhaschte er einen Blick auf die Schutzmauer des Dorfes. Sie war in sich zusammengefallen. Er sah keinen Mann dort. Er zählte für sich von drei nach eins herunter und schlenderte geradewegs auf die Mauer zu. Der freie Platz zwischen den Zelten war klein, nur etwa zwei Meter breit.
    Gerade als er fast die Mauer erreicht hatte, hörte er Männerstimmen. Er duckte sich und schaute nach links. Die Männer kamen immer näher. Er atmete schwerer und sein Herz raste. Ihm fiel dann ein, er musste springen, über die Mauer und sich dort hinter der Mauer vor den Soldaten verstecken. Ihm blieb keine Zeit mehr, die Stimmen kamen immer näher.
    Er sprang.
    Er prallte auf seinem rechten Arm auf den Boden auf. Blut trat aus der Wunde aus. Seine Lippen presste er zusammen. Wahrscheinlich hatte schon das Geräusch seines Aufpralls die Soldaten auf ihn aufmerksam gemacht. Er schlich sich zur Wand und hielt seinen Kopf nach unten gerichtet. Die Mauer war eingerissen und die Steine lagen überall herum. Nur noch die aufgeschüttete Erde des Walls stand noch dort. Seine geringe Körpergröße war in diesem Moment sein Segen.
    Er vernahm ein Knistern. Das muss ein Soldaten gewesen sein, dachte Matthias. Der Soldat kam immer näher. Er blieb direkt vor der Mauer stehen und schaute geradeaus auf die Ebene des Dorfes. In der Dunkelheit sah er kaum etwas. Er lauschte und hörte nichts. Matthias rührte sich nicht und gab keinen Lauten von sich.
    Der Mann räusperte sich und spuckte den Schleim aus. Danach seufzte er und trat zurück.
    Matthias blieb immer noch am Boden. Eine ganze Stunde lang rührte er sich nicht von der Stelle. Sein Rücken verkrampfte sich, seine Arme wurden steif. Als er sich dann erhob, schmerzten alle seine Glieder. Doch auch jetzt unterdrückte er mit aller Kraft seine Schmerzen. Er hob seinen Kopf an bis zum oberen Ende des Walls. Sein Herz raste wieder. Er wagte es nicht, sich aufrecht zu stellen und hinter den Wall zu schauen. Er drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken an den Wall. Vor ihm erstreckte sich kurvenförmig der Gehweg durch das Dorf. Sollte er losrennen, bis zum Kloster? Oder doch wieder nur langsam vorwärts schlendern in geduckter Haltung? Er entschied sich, einfach loszurennen.
    Er rannte um sein Leben. Er hörte wieder Stimmen aus der Ferne. Sie konnten ihn aber nicht gesehen haben, war er sich sicher.
    Er zog an mehreren Häusern vorbei, zu seiner rechten und seiner linken Seite erstreckten sie sich. Es war ruhig. In einer Minute schon erreichte er die Anhöhe hinauf zum Kloster. Es war mitten in der Nacht. Um diese Stunde durfte er nicht an das Tor klopfen, sie hätten es ihm niemals geöffnet. Im Morgengrauen würde er mehr Glück haben, dachte er.
    Als er oben ankam, sah er das Schloss. Es war ein großer knopfähnlicher Stahlbonzen. Er erkannte, das Tor öffnete sich offenbar nach außen hin und nicht nach innen. Es war also – zum Unglück der Insassen – von außen zu öffnen. Zu Matthias' Unglück war es aber etwa einen Meter und neunzig Zentimeter hoch gelegen. Er sprang hoch und streckte seinen rechten Arm aus, aber kam nicht an den Knopf heran. Es blieb ihm also keine andere Wahl, als bis zum Morgengrauen dort vor dem Tor auszuharren.
    Als die Sonne aufging, blinkte das Schwarz

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