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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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des Heeres der Türken im Norden auf. Etliche graue Zelte überlagerten das gelbe Feld und hunderte Soldaten in voller Rüstung durchstreiften es.
    Matthias war sich sicher, einige der muslimischen Soldaten würden ihn aus der Ferne erkennen und schon bald auf ihn schießen. Er hämmerte mit seiner rechten Hand auf das Tor. Endlich hörte er Frauen- und Kinderstimmen aus dem Innenhof des Klosters. „Lasst mich rein! Ich komme aus Badibe. Ich bin Matthias, der Sohn des Isa!“, schrie er. Doch das Tor öffnete sich nicht. Matthias schlotterten die Knie. Er blickte wieder in den Norden und schaute auf das riesige osmanische Heer herab. Da sah er ihn, einen Soldaten. Jener Soldat zielte offenbar auf ihn. Doch warum fürchtete er sich eigentlich vor dem Tod? Er hatte sich einst gewünscht, zu sterben. Jedoch nicht auf diese Art und nicht an dieser Stelle.
    Ein Schuss fiel und die Kugel streifte an ihm vorbei. Ein Raunen aus dem inneren des Klosters war zu hören. Matthias hämmerte kräftiger mit seiner rechten Hand auf das Tor. Dann endlich öffnete sich das Tor. Er trat nach hinten. Eine weitere Kugel schoss an ihm vorbei und traf auf die Wand neben dem Tor. Die beiden Klapptore öffneten sich nur langsam nach außen hin, zu Matthias. Als die Öffnung groß genug für einen Menschen war, lugte der Abt Juhanun Isa heraus. Er schaute kurz den Kleinwüchsigen überrascht an. Dann hob er seine linke Hand und zeigte auf sich. „Los, komm herein!“
    Matthias huschte in das Kloster hinein und der Abt schloss rasch das Tor. Nur kurz darauf traf eine Kugel direkt das Tor. Es war aus massivem Birkenholz, und etwa sieben Meter breit. Die Kugel blieb drin stecken. Wäre Matthias noch länger dort stehen geblieben, er wäre von der Kugel getroffen worden.
    Im Innenhof standen die Frauen und Kinder im Rechteck um ihn herum. Sie standen an den Eingängen zu den Innenräumen und Kapellen des Klosters. In den Räumen gab es nicht genügend Platz.
    Die Menschen schauten Matthias mit argwöhnischem Blick an. Er war ein Fremder für sie. Zudem war er noch ein Kleinwüchsiger. Er war es gewohnt, von fremden Kindern ausgelacht zu werden, doch heute, hier an diesem Ort, taten es die Kinder nicht. Sie schauten ihn nur mit finsterer Miene an. Einige weinten.
    Der Abt trat vor ihn vor und hob wieder seine linke Hand und deutete auf den Weg vor ihm, das hieß, er sollte ihm folgen. Sie gingen zum rechten Teil des Hofes, zur Ecke. Dort durchschritten sie den Eingang und quetschten sich durch die Frauen und Kinder hindurch. Es war stickig. Es stank nach Schweiß und Exkrementen in den Räumen. Matthias atmete durch den Mund und schaute die ganze Zeit auf den Boden, um sich nicht das Elend der Menschen ansehen zu müssen.
    Sie kamen an einen offenen Gang zu einem Nebenraum. Dort saßen und lagen Frauen und Kinder und alte Männer auf dem Boden. Der Abt blieb dort stehen und schaute kurz in den Raum hinein, sprach jedoch kein Wort zu den Menschen. Matthias stellte sich in den Eingang und schaute nur kurz auf. Er sah am anderen Ende des Raumes einen alten Mann. Der Alte lag mit dem Rücken auf dem kargen Boden. Seine Wangenknochen ragten aus seinem Gesicht hervor. Er keuchte und wehklagte. Matthias schaute ihn noch einmal kurz mitleidsvoll an und schaute dann wieder auf den Boden vor sich und schüttelte den Kopf. Warum nur musste sein Volk so sehr leiden? Und warum traf das Schicksal immer zuerst die Schwachen?
    Juhanun Isa schritt weiter durch den Gang. Matthias drehte sich kurz um und schaute nach ihm. Er sah, der Mönch war schon weitergegangen, also folgte er ihm. Doch dann hörte er eine laute liebliche Frauenstimme: „Matthias. Matthias, bist du es wirklich?“
    Matthias erstarrte augenblicklich. Auch der Mönch hatte die Frauenstimme gehört und blieb stehen, doch der Mönch drehte sich nicht zu Matthias um. Die Frau rannte herbei, sie kam immer näher, wie es Matthias spürte. Sie blieb dicht hinter ihm stehen. Dann drehte er sich um. Er war überrascht. Sie ebenfalls. Sie lächelte zuerst, das tat er danach ebenfalls. Sie schauten sich schweigend an.
    „Daniela. Wir haben uns lange nicht gesehen.“
    Sie verzog ihre Miene und nickte. „Ja, das stimmt. Es freut mich, dass dir nichts zugestoßen ist“, erwiderte sie ihm.
    Es war Daniela, seine Jugendliebe. Sie war einem Mann aus dem Dorf Sederi in die Ehe gegeben worden. Matthias fragte sich, ob sich ihr Mann namens Isa ebenfalls hier im Kloster aufhielt. Gerade wollte er sie fragen,

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