Liebe und Völkermord
entmachtete. Stellt Euch vor, der Sultan könnte machen, wozu es ihm beliebte. Irgendjemand Vernünftiges muss über ihm stehen und im schlimmsten aller Fälle den Wahnsinnigen entmachten und die Ordnung aufrechterhalten!“
Der Agha nickte nur, er verstand nicht, warum der Pascha ihm das erzählte.
„Faktisch bin ich der Herrscher des Ostens. Enver Pascha kommandiert nur die Armee, die im Westen des Reiches stationiert ist.“
Der Kurde dachte, der Pascha wollte ihm damit Angst einflößen.
„Letztendlich sind wir aber auf unsere Soldaten angewiesen. Und sie repräsentieren das Volk. Auf unserem Feldzug bis hierhin habe ich gesehen, wie willfährig die Männer sind. Sie tun es gerne.“
„ Ja, das tun meine Männer auch.“
Der Pascha schaute den Agha streng an. Dann nickte er. „Nun gut, reden wir nicht mehr über Politik. Wir waren eben bei den Aramäern. Wie gut kennt Ihr sie?“
Muhammad zuckte mit den Achseln. „Ich kenne sie kaum. Ich bin vor einigen Wochen in engeren Kontakt mit ihnen gekommen. Ich war da eigentlich auf der Durchreise gewesen. Wir waren in Badibe. Dort hat irgendjemand auf mich geschossen.“
Der Pascha schaute entsetzt. Dann dachte er scharf nach. Schließlich, nach einer Weile, sagte er: „Ah, jetzt fällt es mir ein. Unser Gefangener ist auch aus Badibe. Er hat es erwähnt.“
„Ehrlich? Welch ein Zufall.“
„ Er gehörte zu den Aramäern, die meine Männer enthauptet haben. Ihre Häupter hatten meine Männer zu den Aramäern herüber geworfen. Das war von Anfang an die Idee meiner Männer gewesen.“
Der Pascha betonte dies, um keinen Verdacht auf sich zu lenken. Muhammad wand sich verächtlich zur Seite um. Er riss sich dann doch noch zusammen, wandte sich wieder dem Türken zu und lächelte.
Sie schwiegen eine Weile lang. Muhammad nahm eine der Datteln und aß sie. Danach sprach er: „Ich habe dort einen kleinen Mann kennengelernt. Ich meine einen Kleinwüchsigen. Er war in etwa nur so groß.“
Der Agha hielt seine linke Hand in die Höhe, um die Größe des Kleinwüchsigen anzugeben. Der Pascha grinste die ganze Zeit über.
„Ich habe ihm meine Freundschaft angeboten und wollte, dass er mit mir nach Mardin kommt, doch er wollte nicht.“
Der Pascha lachte laut auf und nahm dann noch eine Dattel von der Schüssel.
Währenddessen hielt sich der Generalmajor Heinz Sturm mit seinem Adjutanten Johann Lieb in seinem Zelt auf. Der Preuße schaute verächtlich vor sich hin. „Ich weiß, was ich von dir verlangt habe, Johann. Hast du diesen Kurden gesehen? Die ganze Zeit über schaut er mich verächtlich an. Der Pascha ist mein einziger Freund. Ich traue auch diesem Jüsbaschi nicht.“
Johann saß auf einer Matte gegenüber von seinem Vorgesetzten. Vor ihnen lag eine Feldflasche. Heinz trank aus ihr, dann hielt er sie Johann hin, doch der junge Mann lehnte ab. Schüchtern schaute er zum Preußen auf. „Mein Herr, ich glaube, sie werden Euch nichts tun. Wenn wir das tun sollten, was würden wir damit erreichen? Es würde zu einem Aufruhr im Lager kommen.“
„Bei den Kurden, aber nicht bei den Türken. Die Kurden sind sowieso nicht so wichtig. Und außerdem, du wirst es natürlich gut planen und den richtigen Zeitpunkt abwarten. Ich bin mir sicher, er wird mich töten. Es könnte schon morgen geschehen.“
Johann nickte nur noch. Er war sich sicher, sein Befehlshaber hatte den Verstand verloren.
Heinz schaute nun verträumt vor sich hin. „Ach, ich habe die Schnauze voll! Ich will zurück in die Heimat. Ich will mit ihr zusammen in die Heimat zurück!“
„ Erlaubt mir die Frage, mein Herr. Habt Ihr ihn schon gefragt?“
„ Nein, ich konnte es noch nicht tun. Ich warte noch ab.“
Darauf wurden Heinz' Augen schlaffer. Er legte sich hin. Johann merkte schon, irgendetwas stimmte nicht mit dem Preußen. Er beugte sich vor. „Fühlt Ihr Euch nicht wohl?“
Heinz schüttelte den Kopf. Er atmete schwer. „Nein, es ist alles in Ordnung. Ich bin nur müde. Die letzten Wochen waren zu stressig.“
Johann blieb an der Seite seines Herrn. Nach einer Stunde sah er, Heinz war krank geworden.
Genau zu diesem Zeitpunkt war der Agha wieder in seinem Zelt und sprach mit Karim. „Ich traue diesem Deutschen nicht. Hast du gesehen, wie viele Wächter er jetzt vor seinem Zelt aufgestellt hat? Und warum hat er dem Pascha den Rückzug vorgeschlagen?“
„ Der Rückzug war eine richtige Entscheidung. So sehe ich das ebenfalls. Aber, dass er jetzt mehrere Wächter vor
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