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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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Muhammad. „Herr Wesir, diese Menschen hatten gewiss nicht im Sinn, dass Euch Unheil widerfährt. Diese Familie dort betrauert ihren kleinen Sohn. Ihr, Allah sei Dank, habt überlebt. Ich bitte Euch, lasst diese Angelegenheit auf sich beruhen.“
    Der Wesir runzelte die Stirn. Er schlenderte nach vorne auf Abdullah zu. Er lachte. Abuna Isa und der Dorfälteste senkten ihre Häupter. Matthias verfolgte des Wesirs Schritte voller Spannung.
    Ganz gelassen wie ein Mann nach einer deliziösen Mahlzeit schaute er lächelnd durch die Runde. Er schlenderte auf Matthias zu. „Wie heißt du?“
    „Matthias“, gab der kleinwüchsige Mann widerwillig und furchtlos von sich.
    „ Hast du Lust, mit mir mit nach Mardin zu kommen?“
    Die anwesenden alten Aramäer schauten sich erstaunt gegenseitig an.
    Matthias wollte schon immer gerne hinaus in die Welt. Aber zusammen mit diesem undurchschaubaren Mann da vor ihm?
    „ Nein, ich möchte hier in meinem Dorf bleiben. Bei meiner Familie.“
    Muhammad runzelte wieder die Stirn und schaute Isa mit ungläubiger Miene an. Dann nickte er wie ein Händler vom Markt nach Abschluss eines guten Verkaufes. „Ihr habt keine andere Wahl, meine guten Leute. Ihr müsst von nun an das tun, was ich von euch verlange. Wenn ihr euch nicht meinem Willen fügt, werde ich euch geißeln lassen und eure ohnehin schon hohen Steuern noch weiter erhöhen. Ich habe erfahren, dass der Agha Tschalabi und sein Sohn euch mit Waffen beliefern. Ist das wahr?“
    Die Mienen der Aramäer verfinsterten sich. Muchtar Murad trat vor. „Ja, es stimmt, mein Herr.“
    „ Nun denn, ihr wisst, der Agha Bilad ist euch nicht wohlgesinnt. Die Türken halten Ausschau nach eurem Land.“
    „ Planen sie wirklich, den Krieg auf dieses Gebiet auszubreiten?“, fragte Abdullah den Wesir.
    „ Nein, nicht die Türken sind eure Feinde, glaubt mir, sondern der Agha selbst. Auch ich wurde zu oft in der Vergangenheit gedemütigt von ihm. Das soll endlich ein Ende haben. Ernennt mich zu eurem neuen Agha und ich werde euch weit besser behandeln, als es je einer vor mir getan hat.“
    Abuna Isa schaltete sich ein: „Das können wir ohne Zustimmung des Agha Bilad nicht machen.“
    „Ihr habt es nicht verstanden! Ich möchte, dass ihr euch mir anschließt! Zusammen werden wir die Macht des Aghas beseitigen.“
    Die alten Männer redeten durcheinander. Murad hob seinen rechten Arm. „Seid still! Herr Wesir, das ist zu riskant für uns alle. Wenn dieser Aufstand scheitern sollte, würde es unser aller Leben kosten.“
    „Wenn ihr euch mir nicht anschließt, werde ich zum Agha gehen und ihm erzählen, ihr wolltet mich umbringen und würdet einen Aufstand gegen ihn planen.“
    „ Das könnt Ihr nicht machen. Das ist eine Lüge!“, erhob der Dorfälteste den Zeigefinger seiner linken Hand in die Richtung des Wesirs. Der Abuna ermahnte den Dorfältesten, sich zurückzuhalten. Er verneigte sich vor Muhammad. „Herr Wesir, Ihr wisst, wir sind ein friedfertiges Volk. Wir wollen keine Kriege anzetteln, noch in den Krieg ziehen für irgendeinen Anführer.“
    Der Wesir drehte sich um, nun stand er mit dem Gesicht zum Tor gewandt. „Ihr habt keine andere Wahl! Wenn der Agha Bilad gestürzt worden ist, werdet ihr mich als euren neuen Agha anerkennen und eure Beziehungen zu Agha Tschalabi abbrechen. Ansonsten werde ich eurer Land verwüsten!“
     
    Barsaumo war schon neunundzwanzig Jahre alt geworden und ungewöhnlicherweise immer noch nicht verheiratet. Er liebte sein Junggessellendasein. Er gehörte der Sippe des Malke an, jedoch leugneten die Malkes seine Zugehörigkeit zu ihnen. Seine Eltern lebten bescheiden in einem kleinen Haus auf der westlichen Seite des Dorfes. Sein Vater war Aziz, der jüngere Bruder des Dorfältesten Aljas. Er war gebrechlicher Mann und war weise.
    Seine Mutter Samona war das Vorbild einer jeder Charakterfrau. Umso merkwürdiger erschien Barsaumos Zugehörigkeit zu ihnen. Als Kind war er stets aufbrausend und selbstherrlich. Er schlug seine Kameraden und erlaubte sich einmal einen Scherz mit dem damaligen Abuna, indem er ihm mit seinem rechten Fuß in den Hintern trat. Der Abuna prügelte als Strafe mit seinem robusten Schlagstock zwanzig Mal auf den jungen Raufbold ein.
    Das Verrichten von Arbeit mochte er nicht. Lernen ebenfalls nicht. Er liebte es, den ganzen Tag lang durch die Wälder und Berge zu streifen, mit oder ohne Gesellschaft von Gleichgesinnten, und währenddessen von Frauen zu schwärmen. Sein Vater

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