Liebe und Völkermord
bist du zusammen mit Chasme zu Fuß dorthin gereist.“
Aljas wusste nicht, wie er ohne Beschimpfungen diese Nervensäge zum Schweigen bringen konnte. „Ach, Muksi Antar, du Dreckskerl, ich liebe Gott. Ich liebe Gott!“
Gerade wollte Antar zum nächsten Seitenhieb gegen Aljas ausholen, als plötzlich Matthias vor ihnen auftauchte.
„ Hey, hey, Matthias, wo kommst du her? Komm, setze dich zu deinem alten Onkel Muksi. Ihm geht es nicht gut.“
Aljas erhob wieder seine rechte Hand gegen Antar. „Was lügst du, du Dreckskerl! Mir geht es sehr gut.“
Matthias konnte sein Lachen nicht unterdrücken.
Aljas war der Onkel seiner Mutter Maria. Matthias nannte ihn Großvater. Nur noch seine Großmutter mütterlicherseits Sitto von seinen echten Großeltern lebte noch, die anderen waren bereits tot, entweder waren sie eines natürlichen Todes oder in den großen Massakern vor 20 Jahren gestorben.
Der kleine Mann huschte an ihnen vorbei. Aljas drehte sich zu ihm um. „Qurban (Liebling), wo willst du hin? Warte.“
Matthias blieb stehen. „Es ist nachts immer noch zu kühl. Ich hole von zuhause ein paar neue Klamotten.“
„Bleibst du denn etwa nicht zuhause? Ist es wegen der Tragödie? Ich habe deiner Mutter schon gesagt, dass dich keine Schuld trifft. Du kannst bei uns schlafen.“
„ Danke, Großvater. Es ist alles in Ordnung. Mach dir bitte keine Sorgen um mich.“
Matthias war die Lage unangenehm geworden. Er mochte seinen Großvater sehr, doch zog er es lieber vor, allein zu leben, wenn er nicht bei seinen Geschwistern bleiben durfte.
Er verschwand hinter den Häusern hinter der Kirche.
„ Ach, ach, was da nur geschehen ist! Furchtbar! Diese Moslems werden sich nie ändern. Ich fürchte, uns steht ein weiterer Sejfo (Schwert; „Schwert des Islam“) bevor.“
In solchen Momenten beherrschte sich Antar und guckte streng. Doch zog er es vor, sich seine Traurigkeit nicht anmerken zu lassen, zumindest nicht vor diesem Aljas, und deswegen erhob er sich von seinem Platz und schleppte seinen alten Körper zurück in das Dorf.
„ Bleib doch hier bei uns. Es ist doch nicht viel anders als früher, Matthias.“
„ Abuna, ich möchte Euch nicht zur Last fallen. Ich komme auch allein zurecht.“
Dem Mönch Abuna Petrus vertraute der Kleinwüchsige mehr als jedem anderen Menschen auf der Welt. Der Abuna war einst sein Mentor gewesen. Es umgab den Abuna eine seltsame Aura, als würde er ein Geheimnis verbergen. War etwa dieses Geheimnis der Grund gewesen, warum er den Kleinwüchsigen unter seine Fittiche genommen hatte? Matthias hatte zu viel Respekt vor ihm, um ihn danach auszufragen.
Der Geistliche war 60 Jahre alt und trug einen langen weißen Bart. Trotz dieses hohen Alters war sein Verstand so scharf wie keines Zweiten seiner Generation.
Sie saßen in Petrus' Höhle auf der östlichen Seite des Klosters, dort waren die Höhlen, wo die Mönche nach den täglichen Gebeten weilten.
Matthias erzählte seinem Beichtvater von seinen Sorgen, unter anderem von Meridschan und Soraja.
Der Geistliche hörte seinem ehemaligen Schüler konzentriert zu. Unterhalb seines Gewandes schwitzte er. Er roch nicht gut. Matthias hatte sich an diesen außergewöhnlichen Körpergeruch in den Jahren gewöhnt. Er hatte sich auch immer gefragt, wie es die Geistlichen in dieser Hitze unter solch dicker Kleidung aushielten.
„Deine Familie reagiert genau so, wie es jede andere getan hätte. Sie fürchten um ihren Ruf. Du musst sie verstehen. Sie haben nichts persönlich gegen dich. Wie du auch schon gesagt hast, sie sind Musliminnen, wir können dich nicht mit einer Muslimin trauen.“
„ Aber die muslimischen Männer dürfen Christinnen und Jüdinnen heiraten, auch wenn sie nicht zu ihrer Religion konvertiert sind. Warum akzeptiert das nicht auch unsere Kirche?“
„ Daran wird sich nichts ändern. Das musst du akzeptieren. Sie muss sich taufen lassen. Aber, ich rate dir auch, brich den Kontakt zu ihnen ab. Das ist das Beste.“
„ Ich kann nicht, Abuna.“
„ Ich verstehe, was du gerade durchmachst. Auch ich bin einst ein Jugendlicher wie du gewesen und habe mich einige Male in verschiedene Frauen verliebt. Sie erwiderten meine Liebe nicht und ich wurde sehr traurig. Deprimiert schlief ich ein und wollte nie wieder aufwachen. Ich dachte daran, mir selbst das Leben zu nehmen. Doch dann entschied ich mich für den Weg Gottes. Ich wurde zum Einsiedler. Seitdem habe ich viele Jahre gelebt, viele ganz allein und einige
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