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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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noch lächelte er beschämt, als er sie berührte, wie ein Liebhaber beim ersten Mal.
    Sie wehrte sich nicht.
    Er küsste ihren Hals, zog vorsichtig ihren Schleier herunter und griff mit seiner rechten Hand unterhalb ihres Rockes.
    In ihrem Leben bisher hatte sie nur ein einziger Mann berührt. Jener Mann war ihr nun gleichgültig geworden. Ihm wollte sie nicht mehr treu bleiben.
    Doch eine innere Stimme sagte ihr, was sie da tue, sei falsch. Sie stieß ihn zur Seite. Sie atmete schwer.
    Barsaumo war beleidigt worden. Noch nie hatte ihn eine Frau abgewiesen. Sie stand hastig auf, er erhob sich ebenfalls rasch, ergriff sie und ließ sie nicht entkommen.
    „ Lass mich los! Mein Mann wird dich töten!“
    Barsaumo geriet in Rage. Er verlor die Beherrschung. Dieses Mädchen

 
    hatte ihn beleidigt, sie wollte sich ihm nicht gefügig machen. Und sie war eine Kurdin, eine Muslimin. Und die Frau des Teufels. Wie konnte sie es wagen, dachte er. Er zog sie zu sich und riss ihr das Kleid herunter. Sie schrie und verpasste ihm einige Ohrfeigen. Dann konnte sie sich irgendwie doch noch von ihm losreißen und rannte in die Küche. Er rannte ihr hinterher. Sie holte ein Messer hervor. Er vereitelte ihren Versuch.
    Es war nur ein kurzer Augenblick. Dieser Augenblick veränderte den Lauf der Geschichte.
    Er erkämpfte sich das Messer aus ihrer Hand und mit einem schnellen Zucken schnitt er ihr die Kehle durch. Das Blut spritzte aus der Wunde heraus wie eine Fontäne. Er schnaubte. Sie erstickte. Sie fiel nach hinten auf den Boden.
    Er ließ das Messer fallen.
    Im nächsten Augenblick kam er zu sich. Was hatte er da nur getan? Die Frau des Wesirs war tot. Er hatte sie getötet. Verzweifelt wie ein im Stich gelassenes Kind überlegte er, was er nun tun sollte, und schaute um sich herum.
    Einen kurzen Moment noch zappelte ihr Körper. Ihre Hände hielt die Sterbende auf ihren Hals gedrückt, bis sie schließlich schlaff wurden und darauf auf ihrer Brust klebten. Ihr Körper rührte sich nicht mehr.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

 
    Johann Lieb
     
     
    Herr Generalmajor Heinz Rüdiger Sturm rupfte sich die Nase. Er war nervös.
    „Wisst Ihr, ich bin mir durchaus bewusst, dass unser Reich bald untergehen wird. Auch ich kenne den Spitznamen, den die Europäer unserem Reich gegeben haben.“
    „ Ich bitte Euch, Pascha, das sind alles nur leere Worte. Europa verfällt im Chaos. Ich fürchte, die Folge wird Anarchie sein. Was auch immer Ihr gehört habt, es trifft auf diese Tuschelnden selbst zu.“
    Ali Pascha neigte sein Haupt, jedoch nicht, weil er dem Deutschen zustimmte. Der Pascha war nur auf seinen eigenen Vorteil aus, was Sturm bereits bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen war. In dieser Eigenschaft ergänzten sich diese beiden Männer gut.
    „Mich erfreut es sehr, dass Ihr das Glas mit mir angestoßen habt“, fügte der Deutsche nebenbei hinzu und lächelte. Da der Jüsbaschi Mustafa nicht anwesend war, scheute sich der Pascha nicht, das Gebot des Verzichts auf Alkoholkonsum zu brechen. Heinz fühlte sich gleich viel gemütlicher in der Gesellschaft des Türken.
    Sie sprachen an diesem Abend in dem Nebenraum der Villa des Paschas über die Zukunft des Osmanischen Reiches und Europas und über ihre eigene.
    „Ich habe bereits viele Länder bereist und viele Völker kennengelernt, Herr Sturm. Es ist nur natürlich, dass ein Volk seine Freiheit anstrebt. Wie dem auch sei, kein Reich besteht ewig. Das ist ein Gesetz der Geschichte. Irgendwann geht jedes Reich unter.“
    „ Seht, in Europa haben wir mehrere Monarchen, Kaiser und Könige verschiedener Reiche, die um die Vorherrschaft kämpfen. Es gab schon so viele Revolutionen seitens der Bürgerschaft. Jedoch kam die Monarchie immer wieder zurück. Ich kann mir ein Europa ohne Monarchen nicht vorstellen. Das wird es nie geben.“
    „ Weiß Allah, gepriesen sei sein Name, wir Osmanen haben jedes unterworfene Volk gut behandelt. Vor allem diese Griechen sind so undankbar zu uns gewesen.“
    „ Verzeiht mir, dass ich das frage, haben denn die Christen nicht die gleichen Rechte wie die Muslime in ihrem Land? Das habe ich zumindest so gehört.“
    „ Gewiss, sie haben nicht dieselben Rechte wie die Muslime. Sie müssen eine Sondersteuer entrichten, die Dschisa, und sie sind von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Dennoch, wir haben sie gut behandelt. Haben wir sie etwa wie Vieh abgeschlachtet? Haben wir sie etwa von ihrem Land vertrieben? Haben wir etwa ihre

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