Liebe und Völkermord
wandte sich von ihm ab. Dies war seine Strategie, er hoffte, auf diese Weise weiter an sein Ziel zu gelangen. Innerlich lachte er.
„Er hat sich bei der Familie des Jungen entschuldigt.“
„ Verzeiht mir, Herrin, wenn ich mir die Erlaubnis selbst erteile, dies frei heraus zu sagen ...“
Aische schwieg.
Er verneigte sich vor ihr. „So etwas ist unentschuldbar. Und lässt sich nicht rückgängig machen. Es ist aber leider geschehen. Was geschehen ist, ist nun einmal geschehen.“
Sie stand immer noch mit dem Rücken zu ihm gewandt. „Bist du hierher gezogen, oder warum hältst du dich hier in Mardin auf?“
„Wie Ihr sicherlich wisst, unsere Oberherren nehmen uns nach und nach alles, was wir besitzen. Wir besitzen fast gar nichts mehr. Ich bin hierher gekommen, um mir etwas als Händler zu verdienen.“
Ihr Groll gegen Muhammad wurde größer. Nun war sie entschlossener denn je, ihn zu beseitigen.
Sie drehte sich wieder zu Barsaumo um und lächelte. Er lächelte zurück. In einem flüchtigen Augenblick war ihr dieser junge Mann sogar sympathisch geworden. Sie verdeckte mit dem Schleier ihres Halses ihr Gesicht. Dies war ein Reflex. Sie war eine verheiratete Frau und sie empfand Schuldgefühle. Jedoch wollte sie diesen Fremden nicht loswerden. Sie erinnerte sich an den Rat ihrer Mutter, einen jungen Mann als Gärtner bei ihr einzustellen. „Ich kann dir Arbeit hier auf meinem Land anbieten.“
Barsaumo lächelte immer noch. Innerlich lachte er wieder. Er hatte wirklich viel Glück.
Muhammad lächelte, da er so überrascht war. Noch nie hatte seine Frau ihn gebeten, einen Diener für sie einzustellen. Für ihn markierte es den Beginn ihres Erwachsenwerdens.
„Das machen wir. Ich werde gleich morgen Karim beauftragen, für uns die besten Gärtner und Hausdiener zu suchen.“
„ Ich habe schon einen gefunden.“
Jetzt erst fiel ihr auf, sie hätte das nicht sagen sollen. Doch es war bereits zu spät.
„Oh, wen denn?“
Sie erzählte ihm von dem fremden Badebojo.
„Er hat früher für meine Mutter gearbeitet. Er soll zuverlässig sein.“
„ Gut. Wir werden ihm eine Arbeit geben. Ohnehin ist mein Ansehen bei den Aramäern nicht mehr gut. Ich muss einmal etwas Gutes für sie tun.“
Aische schwieg lieber. Sie nickte nur und begab sich in die Küche. Ihr Mann war doch nicht so ein Scheusal, für das sie ihn gehalten hatte, dachte sie. Er zeigte aufrichtige Reue und das gefiel ihr. Sie verwarf ihren Plan, ihn umzubringen.
Muhammads Untergebener Karim schaffte seinem Herrn ein paar Landarbeiter herbei. Es waren zwei Männer und drei Frauen. Der eine der Männer sah recht betagt aus und war äußerst fettleibig, er solle jedoch ein vortrefflicher Arbeiter sein, versicherte Karim Muhammad.
Der Wesir bat seinen Helfer, nach einem jungen Aramäer in der Stadt Ausschau zu halten. Der erste Aramäer, welchen er herbeischaffte, war nicht Barsaumo sondern ein Junge namens Robil aus dem Dorf Msisah. Aische wies ihn ab, sie sollten weiter nach dem ehemaligen Bediensteten ihrer Mutter suchen. Schließlich trafen sie zusammen mit Barsaumo vor dem Haus des Wesir ein.
Muhammad musterte ihn von Kopf bis Fuß. Er wies Karim an, ihn zu dem fetten Arbeiter namens Fuad zu bringen, jener solle ihn in die Arbeit einführen.
Muhammad dachte am Abend nach, während er seinen Kaffee in sich hinein schlürfte. Dieser Barsaumo war noch so jung. Und gutaussehend. Warum hatte Aische darauf bestanden, gerade diesen jungen Burschen bei sich einzustellen?
Nachts konnte er nicht schlafen. Er wälzte sich im Bett wie ein vom Teufel Besessener. Aische hatte ihn noch nie in dieser Verfassung erlebt. Er fasste sie nicht an. Das kam zum ersten Mal seit ihrer Hochzeitsnacht vor. Sie lehnte ihren Kopf zur Seite und gab vor, zu schlafen.
Würde sie ihn wirklich mit einem anderen Mann betrügen, fragte sich der Ehemann. Sie war ja noch so jung, abwegig war dieser Gedanke also nicht. Er vertiefte sich weiter in diese Sache. Er wusste keine Antwort. Dann kam in ihm jenes Gefühl auf, er hatte angenommen, dieses würde in Bezug auf Aische niemals geschehen.
Er packte seine Ehefrau, hielt sie an ihren Schultern fest, nach unten gedrückt. Er schüttelte sie und gab ein Heulen von sich, ein Geräusch so ähnlich wie das einer Eule in der Nacht. Sie blieb erst schweigsam, da sie nicht wusste, was ihr Mann mit ihr vorhatte, dann weinte sie und schrie, er solle sie in Frieden lassen. „Ist er dein Geliebter?“ Er drückte sie noch
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