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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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nicht zum Kardinal ernannt worden. Ein Korruptionsverdacht gegen ihn – er sollte angeblich mit Kirchengeldern verdeckte für ihn persönlich getätigte Investitionen in der Schweiz begangen haben – hatte seinen Ruf geschädigt. An den Vorwürfen war nichts Wahres.
    Die Mitglieder seiner Gemeinde und sogar der Papst selbst hatten ihn nur noch genervt.
    Angelo Ambrosiani war ein stets integer Mann.
    Seit seinen ersten Theologie-Studientagen hegte er ein großes Interesse für die Ostkirchen. Er trat für eine Wiederaufnahme der Diskussion um die Ökumene ein. Er stellte sich gegen die Missionstätigkeiten seiner Diözese. Er betrachtete die orthodoxen Kirchen als gleichrangig.
    Trotz seines nun hohen Alters besaß er noch sein glattes schwarzes Haupthaar.
    Er sprach fließend Englisch und Deutsch.
    „ Ich habe schon so Vieles über Italien und seine Menschen gelesen. Wie gerne würde ich dieses Land einmal besuchen. Ich liebe Latein. Ich will unbedingt eines Tages nach Rom.“
    Der Italiener schmunzelte. Er lächelte und nahm Matthias gleich sofort in sein Herz auf. Er sprach zu ihm, so wie er es zu jedem anderen Mann tat. Ambrosiani respektierte und liebte jeden Menschen. In dieser Hinsicht übertraf er sogar einige der Mönche des Tur Abdin.
    Der Bischof kam jedoch sofort auf den Anlass seines Besuches. Er habe einige Armenier vor der Deportation gerettet. Er hätte sie ins Ausland bringen lassen können. Nun jedoch sei die Lage zunehmend schwieriger geworden. Er kam also, um von den Aramäern zu erbitten, sie mögen einige der armenischen Flüchtlinge bei sich aufnehmen.
    Matthias übersetzte für den Abuna jedes Wort.
    Abuna Isa starrte immer noch den Fremden ungläubig an. „Aber dann bringen wir uns selbst auch in Gefahr. Bis jetzt ist alles ruhig hier.“
    „ Ich bitte Euch, Vater, es sind Menschen. Einige der Kinder haben ihre Eltern verloren.“
    Es war nun nur eine Frage der Ehre und der Menschlichkeit. Abuna Isa konnte das Anliegen des Katholiken nicht zurückweisen.
    Sie traten hinaus aus der Kirche. Auf dem Innenhof stand eine große Menschenmenge. Sie trugen zerlumpte Kleider, einige waren halb abgemagert. Einige der Kinder weinten und wurden vergebens von den Mädchen beruhigt. Einer der kleinen Jungen hielt den Zeigefinger seiner linken Hand in die Richtung von Matthias.
    Der Abuna schaute erschrocken. „Die Heiligen mögen uns zur Rettung herbeieilen. Ich bitte Euch um Verzeihung, dass ich gezögert habe, Euch Eure Bitte zu erfüllen.“
    Matthias rief die Männer des Dorfes zusammen. Der Muchtar weigerte sich, einen der Armenier bei sich aufzunehmen. Kein Badebojo sollte, seiner Meinung nach, irgendeinen von ihnen bei sich verstecken. Die Muslime würden es irgendwann merken und dann seien sie selbst des Todes.
    Isa, Matthias' Vater, war der erste Freiwillige. Er nahm zwei der Kinder und einen Jugendlichen mit.
    Der Dorfälteste Aljas nahm zwei der Mädchen und einen der Jungen mit.
    Der Italiener bedankte sich bei ihnen allen. Er wollte noch das Kloster d'Ghsale sehen. Matthias hatte es bei seiner Beschreibung seines Dorfes erwähnt.
    Als sie von Abt Juhanun hineingeführt wurden, führte der kleinwüchsige Aramäer den Bischof zum Mönch Petrus. Petrus konnte ebenfalls sehr gut Englisch verstehen und sprechen.
    Matthias bat den Mönch, sich um den katholischen Bischof zu kümmern. Er erzählte noch kurz von dem Vorfall mit Cäsar. Auch Mönch Petrus ermahnte ihn, nicht voreilig irgendjemanden zu verurteilen. Siwar sei schwachsinnig jedoch nicht skrupellos.
    Kurz bevor Matthias sich verabschiedete, sagte er noch, es sei nun nicht an der Zeit, diesen Vorfall öffentlich zu machen. Er würde es vorerst für sich behalten.
    Nach seinem Weggang nutzte der Nuntius die Gelegenheit, den Mönch über den Kleinwüchsigen auszufragen. Er selbst hatte einmal einen kleinwüchsigen Italiener in Mailand vor vielen Jahren gesehen. Doch nicht seine geringe Körpergröße faszinierte den Ausländer sondern seine umfangreiche Bildung. Hier waren die meisten Menschen Analphabeten, das war ihm bekannt.
    „Ach, wisst Ihr, es ist bei diesen beiden Brüdern wie bei Aram und Assur.“
    Der Italiener runzelte die Stirn. „Aram und Assur?“
    „Die Söhne Sems, des Sohnes Noahs. Aram ist unser Urvater.“
    „ Ach so, ich verstehe.“
    „ Assur betete Götzen an und Aram schalt ihn dafür, denn es gebe nur einen einzigen Gott. Zeit ihres Lebens gab es eine große Rivalität zwischen den beiden Brüdern.

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