Liebe und Völkermord
ersuchten sie um das Gebet der Mönche dieses Ortes. Theodora, die Frau des großen Kaisers Justinian, war eine Aramäerin gewesen.
Am vorderen Ende der Apsis stand der Ambo mit dem goldverzierten Evangelium darauf.
Als der Kleinwüchsige eintrat, stand Abuna Isa neben dem Ambo und küsste das Evangelium am oberen rechten Rand.
Der junge Mann nahm überhaupt keine Rücksicht, war dieser Ort ihm schon so vertraut wie das Haus seiner Eltern.
„ Es stehen uns schwere Zeiten bevor, mein Sohn. Ich hatte gestern einen schlimmen Traum.“
„ Abuna, ich muss Euch sprechen.“
„ Ich sah Blut, oh ja, da war sehr viel Blut. Und es war das Blut unserer Brüder. Satan intrigiert wieder gegen die Knechte Gottes. Wird dies unser Ende sein?“
„ Vater, ich bitte Euch, ich muss mit Euch sprechen!“
Matthias konnte in des Abunas immer größer werdenden Augen die roten Striche sehen. Der Abuna senkte sein Haupt und starrte Matthias finster an. „Worüber?“
„Cäsar wurde ermordet.“
„ Wer?“
„ Cäsar, mein Hund.“
„ Ach so, ja, oh, schade. Wer hat ihn umgebracht?“
„ Ich glaube, es ist Siwar gewesen. Ja, es ist bestimmt mein Bruder Siwar gewesen.“
„ Siwar? Ach, er weiß nicht, was er tut. Sei nicht nachtragend.“
„ Nicht nachtragend? Er kam bei der Versammlung hereingeplatzt und behauptete vor allen Männern, ich hätte auf den Wesir geschossen. Er hasst mich. Ich weiß nicht, warum das nun. Aber er hasst mich.“
„ Nein. Er hasst dich nicht. Woher weißt du eigentlich, dass er es gewesen ist?“
„ Er muss es gewesen sein.“
Der Pfarrer seufzte und strich danach mit der linken Hand über sein schwarzes Obergewand.
„Ihr wisst etwas?“
Der Geistliche schwieg und schaute nur auf sein Gewand.
„Sagt mir bitte, wer es gewesen ist.“
„ Ach, ich brauche bald ein neues Gewand. Das hier ist fast schon verfusselt.“
„ Ich flehe Euch an. Ihr müsst es mir sagen.“
Der Abuna seufzte wieder. „Du weißt doch, dass ich das Beichtgeheimnis nicht brechen darf.“
„Aber, Vater, ...“
Die Tür öffnete sich und ein Mann, etwa in demselben Alter wie Abuna Isa, gekleidet in einem sauberen schwarzen Anzug, trat ein. „Hello.“
Abuna Isa verstand nichts. Matthias guckte den fremden Geistlichen verwundert an. „Hello.“
Der Fremde lächelte den kleinen Mann an.
„Where are you from?“
„ I am from Italy. I come here in the name of His Holiness.“
Diesmal lagen sie in einem Heuhaufen. Es war kein echter Heuhaufen sondern ein Haufen von abgerissenen aufeinander gelegten Sträuchern.
Seine Brust lag frei, sein Kopf auf ihrem Bauch. Sie küsste ihn noch einmal auf den Mund und lehnte sich dann zurück.
„Als du weg warst, hatte ich die Gelegenheit, zu unseren Verwandten nach Konya zu gehen.“
Alis Miene verzog sich. Meridschan lächelte immer noch und hatte seine Worte nicht richtig wahrgenommen.
„Als ich dort war, habe ich Leichen mitten auf dem Gehweg gesehen. Und ich habe Massengräber gesehen.“
Sie wurde wieder in die Realität gezogen. „Massengräber?“
„Ja, es waren die Gräber von Armeniern. Es waren große Flächen. Es müssen hunderte von Toten, ja, wahrscheinlich sogar mehr gewesen sein.“
Sie richtete sich auf. Er erhob sich, um ihr den Weg freizumachen. Sie starrte gebannt geradeaus. Es wurde ihr unbehaglich. „Was ist mit ihnen geschehen?“
„Es hieß, die Christen hätten sich gegen die osmanische Garnison erhoben. Nach ihrer Aussage haben sie nur einen Aufstand niedergeschlagen. Doch ich habe etwas Anderes noch gehört. Man munkelt, dass die Regierung alle Christen des Reiches vernichten will.“
Meridschan dachte in diesem Moment an Matthias. Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. „Weißt du, was du da sagst? Das ist unglaublich!“
Er zuckte mit den Achseln. „Wir haben doch nichts zu befürchten. Wenn es ihr Schicksal ist, dann ist es eben so. Obwohl, Maria und ihr Vater tun mir leid.“
Sie erhob sich rasch. „Du ekelst mich an!“
Sie rannte davon. Er schaute ihr überrascht hinterher. Dann lachte er. „Was ist denn mit der los?“
Sie rannte nach Hause. Sie weckte ihren Bruder auf. Jeden Tag am frühen Abend legte er sich hin auf die Matratze. Wirklich schlafen konnte Abdullah jedoch seit Jahren nicht mehr. Erschrocken erhob er sich. „Was ist geschehen?“
„Ich habe eben erfahren, dass sie alle Christen umbringen wollen.“
„ Wer erzählt so etwas?“
„ Madschida hat es mir erzählt. Sie meinte, ihr Vater
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