Liebe und Völkermord
Schließlich vererbte Sem Aram ganz Mesopotamien, was Assur erboste. Obwohl die beiden Völker eigentlich Brüder waren, waren sie die größten Erzfeinde. Doch, die Assyrer konnten uns nicht auslöschen und führten letztendlich ihren eigenen Untergang herbei. In der Heiligen Schrift steht ihre Geschichte.“
„ Das Alte Testament ist mir vertraut. Ich fühle mich geehrt, an diesem heiligen Ort der ersten Christen zu sein. Mehr noch fühle ich mich geehrt, die letzten Aramäer kennenzulernen. Der Apostel Petrus gründete seine erste Diözese in Antiochia. Euch gilt der Vorrang. Ich verneige mich vor Eurer Kirche, Hochwürden.“
Bischof Ambrosiani entschloss sich, in den nächsten Wochen in einer der Höhlen zu verweilen. Er wollte einer der Brüder werden.
Als ein jeder der Einsiedler abends, kurz nach Sonnenuntergang, in seiner Höhle saß, stand der Italiener immer noch auf dem Platz vor den Höhlen. Der Abt des Klosters hatte immer noch kein Wort mit ihm gewechselt und ihn immer nur angelächelt, wenn er an ihm vorbeiging.
Mönch Petrus saß im Schneidersitz an der Wand angelehnt am Eingang zu
seiner Höhle. Angelo beobachtete ihn. Petrus' Augen waren geschlossen. In seinen Händen hielt er ein kleines Gebetsbuch. „Wisst Ihr, wir Aramäer haben so sehr gelitten. Die Welt kümmert es nicht. Noch nie sind Europäer hierher gekommen, um uns beizustehen. Sogleich, als ich Euch sah, wusste ich, Ihr kamt nur in guten Absichten. Gott segne Euch.“
Ambrosiani schaute streng und verneigte sich in die Richtung des aramäischen Mönches.
Der Beginn
Karim war ein junger Mann von schmächtiger Natur. Er humpelte. Trotz seiner Behinderung war er ein guter Reiter und geschickter Kämpfer mit dem Schwert. Er und Muhammad waren schon seit ihrer Kindheit die besten Freunde. Nun also war der entscheidende Moment im Leben des Muhammad gekommen. Noch nie zuvor hatte es jemand gewagt, einen Agha zu töten, geschweigedenn zu stürzen. Er brauchte nun seine loyalsten Anhänger an seiner Seite. Im Wohnzimmer seines Anwesens empfing er Karim und seine beiden Gefährten Abdul und Raschid, und nahm von ihnen den Eid ab. Sie schworen, ihm bis in den Tod zu folgen.
Muhammad selbst hatte eine Nacht zuvor das Grab seiner Frau in seinem Garten, auf der östlichen Seite seines Hauses, ausgehoben und sie beerdigt.
„Heil Agha Muhammad Ali! Mögest du lang leben!“
„ Heil!“
Verlegen senkte Muhammad sein Haupt. Er bat sie, nicht großes Aufsehen um seine Person zu machen. Er sei immer noch ihr bester Freund und sie könnten jederzeit zu ihm kommen.
Unerwartet stand ein Türke vor seiner Haustür. Er persönlich führte ihn hinein. Karim und die beiden anderen Männer entfernten sich ohne ein Wort.
Er bat seinem Gast Tee an und sie setzten sich auf den Boden.
Mustafa Ali Bey nahm seine Kopfbedeckung ab. Er stöhnte auf, es war ein langer Ritt gewesen. Die Haut seines Gesichtes sah viel dunkler aus als beim letzten Mal, als sie sich gesehen hatten.
Sie schwiegen eine Weile lang. Mustafa nippte mehrmals nacheinander an dem Glas Tee. Muhammad war innerlich angespannt. Nur am Ausdruck der Augen des Türken konnte er schon erahnen, was der Anlass des Besuches des Beys war.
„Es freut mich, Euch wohlauf zu sehen.“
„ Ihr habt mich damals gerettet. Ich danke Euch für alles.“
„ Habt Ihr den Attentäter ausfindig gemacht?“
„ Sie wollten ihn mir nicht ausliefern. Diese Christen sind unberechenbar. Sie sind wie Hunde, man kann sie, wenn überhaupt, nur für kurze Zeit abrichten. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo sie durchdrehen.“
Der Jüsbaschi nickte zustimmend. Gelassen trank er einen ganzen Schluck aus dem Glas. Er legte es danach zur Seite.
„Vor einigen Tagen haben die ersten Deportationen der Armenier begonnen.“
Muhammad schaute überrascht. „Dann beginnt es jetzt also.“
„Ja. Enver Pascha hat die physische Vernichtung des Christen befohlen.“
Der neue Agha schaute nachdenklich. Dann begriff er, die Männer des Jüsbaschi hatten bereits von seinem Putsch erfahren. Er musste nun behutsam handeln und mehrmals nachdenken, bevor er etwas sagte.
„Alle Christen. Er hat sich unmissverständlich ausgedrückt. Sie müssen alle weg. Im Osmanischen Reich soll es keine Christen mehr geben. Keinen einzigen. Nur mit Eurer Hilfe können wir unser Vorhaben
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