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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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alle Mittel dazu, dieses Verbrechen in seinem Auftrag perfekt ausführen zu lassen. Dieser Kerl muss es gewesen sein, da war sich der Wesir sicher. Er nahm seinen Revolver, welchen er kurz vor seiner Trauerstarre neben den Topf gelegt hatte. Er setzte ihn an seinen Gürtel unterhalb seines Gewandes und eilte danach aus dem Haus heraus.
     
    Sie hatte sich an den Gestank seiner Schweißergüsse gewöhnt. Für ihr zartes Alter war sie schon so diszipliniert. Mit allen Mitteln wollte sie sich zur ersten Frau des Aghas machen.
    Bilad lag auf seinem Rücken neben der schönen Fatima. Selbst bemerkte er nie den Gestank seines Körpers. Er hatte nicht geschlafen und lag immer noch mit weit geöffneten Augen da. Er seufzte. „Nein, das geht nicht! Was würden die Leute sagen? Nein, ich kann das nicht riskieren. Es tut mir leid.“
    „Dann gehe ich fort!“
    „ Was? Nein! Was redest du da, mein Kind? Hör mir zu, sie ist viel älter als du, sie ist fast schon eine alte Frau. Sie wird doch bald sowieso sterben. Es wird auf natürlichem Wege geschehen. Du bist meine Lieblingsfrau. Du weißt das doch.“
    Fatima lag mit dem Rücken zu ihm gewandt. Sie schwieg. Er deutete das als Zustimmung. Sie dachte nach, wie sie weiter vorgehen würde. Wollte sie wirklich den Rest ihrer Tage hier in dem Haus dieses alten Mannes verbringen?
    Ein Diener klopfte an der Tür. „Mein Herr, Wesir Muhammad Ali bittet Euch um eine Unterredung.“
    „ So früh am Morgen? Was ist denn wieder geschehen?“
    Bilad richtete sich schwermütig auf. Seine Gelenke waren für ihn wie ein ungelenkes Fahrgestell. Er zog sich nur das weiße Untergewand an und schritt danach aus dem Raum heraus, ohne sich ein einziges Mal zu seiner entzückenden Ehefrau umzudrehen. An solchen Morgen kam sich Fatima wie eine Prostituierte vor.
    Bilad erschrak. Er hatte Muhammad noch nie in solch einem Zustand gesehen. „Was ist geschehen?“
    „ Meine Frau ist tot.“
    „ Was? Wie ist das passiert?“
    Gemächlich setzte Muhammad sich auf den Boden. Bilad starrte ihn immer noch entsetzt an.
    „Sie wurde ermordet.“
    „ Allah, erbarme dich! Das tut mir furchtbar leid.“
    Muhammad schaute um sich, als würde er etwas suchen.
    „Was kann ich für dich tun? Wenn ich dir irgendwie helfen kann, brauchst du es nur zu sagen. Ich weiß, wie du dich jetzt fühlst.“
    „ Das weißt du wirklich?“
    Muhammad schaute Bilad verächtlich an. „Sie wurde von einem Aramäer ermordet.“
    „Dieses Drecksvolk! Elendige Verräter! Allah möge sie alle erschlagen! Dafür sollen sie alle des Todes sein!“
    „ Ich habe den Mörder gefasst. Er legte ein Geständnis ab. Er wurde von jemandem bezahlt.“
    Bilad schaute verdutzt. „Von jemandem bezahlt?“
    „Er nannte deinen Namen.“
    „ Was? Das ist eine Lüge! Ich habe nichts damit zu tun!“
    Muhammad presste seine Zähne zusammen. Er nickte hastig, ironisch, um dem Agha zu signalisieren, er glaube ihm kein einziges Wort.
    „Du musst mir glauben. Muhammad, ich bin ein Mann von Ehre!“
    „ Ja, wie du das bist! Denkst du, mir war nie aufgefallen, wie du sie angestarrt hast? Du hast sie mir nicht gegönnt! Und du hattest Angst, ich würde dir deinen Thron entreißen! Deswegen hast du diesen Plan gegen mich geschmiedet.“
    „ Dein Geist ist verwirrt, Muhammad. Deine Augen sind ganz rot. Du hast nicht geschlafen. Bitte, leg dich hin und schlafe. Du kannst jetzt nicht klar denken.“
    Der Wesir zuckte am ganzen Körper heftig wie beim Schüttelfrost, und nun zischte er dabei mit der Zunge. Währenddessen, nach nur wenigen Augenblicken, zog er unvorhersehbar seinen Revolver hervor und schoss auf den Agha.
    Der Hausdiener eilte herbei. Er blieb erschrocken an der Tür stehen. Muhammad richtete seine Waffe auf ihn, doch schoss er nicht. Er erhob sich. Wie ein Betrunkener taumelte er. Er bewegte sich eilig auf den Jungen zu. Der Junge zuckte zusammen. Muhammad schritt an ihm vorbei. Er ging zur Tür von Fatimas Schlafgemach.
     
    Matthias suchte Abuna Isa in der Kirche des Dorfes auf. Am späten Nachmittag hielt er sich für gewöhnlich dort auf, um den Abendgottesdienst vorzubereiten.
    Stühle oder andere Sitzgelegenheiten gab es hier nicht, die Gläubigen pflegten, den ganzen Gottesdienst über zu stehen. Auf der Wand, links vom Altar aus, hing eine Ikone der Mutter Gottes, ein Jahrhunderte altes Geschenk eines byzantinischen Kaisers. Die Kaiser von Byzanz schätzten den Tur Abdin, den „heiligen Berg der Knechte Gottes“. So

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