Liebe und Völkermord
durchsetzen. Ich betone an dieser Stelle, niemand darf je von unserem Plan erfahren. Es handelt sich offiziell nur um Umsiedlungspläne.“
„ Das ist ein ziemlich großes Unterfangen. Wie sollen wir kollaborieren?“
„ Wir müssen sie erst einmal überraschen. Irgendwie müssen wir sie überreden, dass sie uns ihre Waffen übergeben. Die Frauen und Kinder, diejenigen, die sich nicht wehren, können wir abführen und verkaufen. Die Männer sollen alle erschossen werden. Das Land werden wir an die muslimischen Familien verteilen. Sie werden unser Vorhaben unterstützen. Sie profitieren am meisten davon. Wir schaffen nämlich ein Reich mit nur einer Religion. Der Islam verbindet uns alle.“
„ Ihr könnt meiner Unterstützung sicher sein. Jedoch, da gibt es noch den Agha Tschalabi. Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen.“
„ Ja, ich kenne die Haltung des Agha Tschalabi. Sein Sohn soll ein Rebell sein. Meine Männer konnten ihn bis heute nicht fassen. Uns ist er gleichgültig. Er wird sich nicht gegen unsere Macht auflehnen.“
Sie sprachen weiter über ihre Pläne und tranken dabei kühles Wasser. Am frühen Abend erhob sich Mustafa Ali Bey, um sich vom Agha zu verabschieden. Er setzte den Termin für das Unternehmen auf den übermorgigen Tag fest.
Kurz vor der Haustür drehte er sich noch einmal zum jungen Witwer um. „Es muss furchtbar sein, seine große Liebe tot in seinem Haus vorzufinden. Mein aufrichtiges Beileid.“
„ Ich danke Euch. Es war alles meine Schuld. Ich hätte besser auf sie aufpassen sollen.“
„ Nun werdet Ihr die Gelegenheit bekommen, ihren Tod zu rächen. Sie ist eine Märtyrerin. Allah segne sie.“
Noch einmal bedankte sich Muhammad beim Jüsbaschi.
Nachdem der Türke fort war, ließ der Agha sich zu Boden fallen. Er lag quer auf dem Boden seines Wohnzimmers. Er vermisste seine Frau sehr. Wo war seine geliebte Aische nur? Wie konnte überhaupt jemand es übers Herz bringen, ein solch schönes Geschöpf zu töten?
Die Welt war grausam.
Auch jetzt war er der Überzeugung, es sei nicht richtig, die Aramäer auszulöschen. Wem hätte es etwas genützt? Sie waren schon seit Anbeginn eine sehr gute Einnahmequelle für den Agha. Nun, gerade jetzt, wo er zum Agha aufgestiegen war, würde er sie alle auslöschen müssen. Das Schicksal meinte es offenbar nicht gut mit ihm, das war sicher.
Er fand sich in einem Delirium wieder. Vor seinen Augen wurde es neblig. Er kam sich vor wie auf einem Schlachtfeld, einsam und verlassen, um ihn herum die Geier, welche sein Fleisch kosten wollten. Er wollte nur noch heraus aus diesem Albtraum. Irgendjemand musste ihn wecken. Er wollte nur noch mit seiner schönen Aische zusammen sein. Im Paradies.
Er schlief ein.
„Du bist den ganzen weiten Weg hierher gegangen, allein?“
„ Mein Bruder muss in Kafro bleiben, das wäre sonst zu auffällig gewesen, wenn er mitgekommen wäre. Ich komme nur wegen dir hierher. Ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt. Es wird jetzt immer gefährlicher für euch Christen. Komm mit mir mit nach Kafro! Wir werden dich in unserem Haus verstecken.“
Matthias setzte sich gemütlich auf den Boden seiner Behausung, angelehnt an die Wand. Es war noch Vormittag. Meridschan sah sehr müde aus. Dennoch standen ihre langen schwarzen Haare immer noch glatt. Er überlegte, was er nun tun sollte. Es ging nun um Leben und Tod. War er denn wirklich so mutig, um im Angesicht des Todes standhaft zu bleiben, fragte er sich. „Sie haben Cäsar getötet.“
„Wer?“
„ Die Aramäer.“
„ Du denkst jetzt an einen Hund?“
Er schaute sie enttäuscht an. Dann senkte er wieder sein Haupt.
„Das waren bestimmt nicht die Aramäer gewesen. Warum sollten sie das tun? Begreife es doch endlich, die Muslime wollen euch alle vernichten!“
„ Nicht alle!“
„ Was meinst du?“
„ Ich habe einige Roma kennengelernt.“
„ Qaratsch?“
„ Ja, Qaratsch, so wie ihr sie nennt. Sie sind Muslime, aber ganz anders als die Kurden und Türken. Sie kommen in Frieden.“
„ Sie werden genau so wie die Kurden irgendwann Land für sich selbst fordern.“
„ Du kennst sie doch überhaupt gar nicht!“
Sie verschränkte ihre Arme ineinander. Das war eine Geste, welche Enttäuschung und Gleichgültigkeit signalisierte.
„Setze dich doch hin!“
Sie schaute immer noch verärgert drein. Dann gab sie nach und setzte sich direkt vor ihm auf den Boden hin. Er lächelte sie an. Sie lächelte zurück. „Du
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