Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
Vom Netzwerk:
Beute aus. Natürlich wollen sie es möglichst auf einfache Weise. Badibe konnten sie nicht einnehmen. Sie werden nun schauen, welche Dörfer sie leichter einnehmen können. Und unser Dorf liegt nicht weit entfernt von Badibe.“
    Nun hob der Abuna seine Arme. „Beruhigt euch, meine Herren. Es bringt nichts, sich gegenseitig anzuschreien. Ich bedanke mich bei unseren beiden Brüdern, dass sie den weiten Weg hierher gemacht haben, um uns zu warnen. Lasst uns in die Kirche gehen und beten. Gott wird uns offenbaren, was wir zu tun haben.“
    Wieder ging ein Raunen durch die Menge. Einige der Männer entfernten sich, doch der Großteil blieb und befolgte den Vorschlag des Abuna und folgte ihm in die Kirche.
    Abdullah blieb allein zurück. Die beiden Badeboje standen auch noch dort vor der östlichen Außenwand der Kirche, auf der linken Seite des Innenhofes. Matthias erkannte Abdullah wieder. Er dachte sofort wieder an Meridschan. Er wollte sie sehen. Doch das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Als alle Kafroje der Reihe nach die Kirche betreten hatten, schritten die beiden jungen Männer aus Badibe in die Kirche.
    Abdullah Raschid dachte über das Geschehen nach. Die Osmanen waren also mit einer Armee angerückt und wollten Badibe erstürmen. Es leuchtete ihm ein, es war also wahr, die Türken hatten vor, auch die Aramäer auszulöschen. Sein Körper erschauderte. Der Gedanke verbitterte ihn. Es gab mehr als 100 aramäische Dörfer im Tur Abdin, die meisten von ihnen waren strategisch ungünstig gelegen. Ihm war klar, tausende und abertausende von unschuldigen Menschen würden nun in den kommenden Tagen sterben. Er musste etwas unternehmen. Wenn es vonnöten war, wollte er sogar sein Leben für die Rettung dieser Menschen riskieren.
    Er überlegte, von wo aus die Angreifer zuschlagen würden. Freilich, nur von der Nordseite aus würden sie wohl kommen. So begab er sich gleich sofort zur Nordseite des Dorfes, unauffällig. Er kam an mehrere Häuser vorbei. Einige Dörfler standen draußen vor ihren Häusern, einige von ihnen, Muslime und Christen, grüßten ihn, einige von ihnen hielten ihn mit belanglosen Themen und Fragen auf. Als er schließlich vor dem Hang des Hügels stand, war er froh, diese ihn belästigenden Leute losgeworden zu sein. Er ärgerte sich, er hätte doch lieber den Umweg über den Hügel der Südseite über das Tal nehmen sollen.
    Als er auf dem Gipfel stand, sah er es. Er konnte seinen Augen nicht trauen. Tatsächlich, da war eine im Eiltempo heranrückende türkische Armee. Er drehte sich sofort um und rannte den Hang hinab. So schnell, er fiel zweimal hin, beim ersten Mal zog er sich eine Wunde am rechten Knie zu. Doch in diesem Moment war das nicht wichtig. Er musste die Christen warnen. Er musste sie retten. Er rannte durch das Dorf, quer durch den schlangenförmigen Gehweg in der Mitte. Einige der Menschen wunderten sich über den wild gewordenen Arzt. Als er den Innenhof der Kirche erreichte, eilte er sofort zum Eingangstor und öffnete sie, ohne anzuklopfen. Innen standen die Männer inmitten des Raumes, vor dem Altarraum. Sie standen mit dem Rücken zu Abdullah. Abuna Malke sprach laut ein Gebet in Richtung des Altars. Der Arzt traute sich eine Weile lang nicht, die Betenden zu stören. Er war außer Atem, er keuchte, der Schweiß rann ihm vom Halse ab in den Rücken. Er beugte sich vor, seine Arme stützte er auf seine Knie und atmete tief ein. Dann schrie er laut mit all seiner Kraft: „Die Türken stehen vor dem Dorf! Sie werden gleich kommen! Ihr müsst fliehen!“
    Abuna Malke hielt inne und drehte sich zu Abdullah um. Die Männer und auch Matthias und Gaurije drehten sich zum schweißgebadeten Kurden um. Für eine Weile war es still, nur das Schnauben des Kurden war zu hören.
    Als Erster rannte Matthias aus der Kirche heraus. Er dachte, er könnte dadurch nicht nur die Lethargie der Männer brechen, sondern würde damit auch Panik entstehen lassen und sie indirekt dazu bewegen, sich von ihrem Fleck zu bewegen.
    Und genauso geschah es. Es wurde sehr laut in der Kirche. Alle redeten durcheinander, die jungen und die alten Aramäer. Einige schrien. Sie sagten, sie seien zum Tode verdammt, jeder persönlich solle nun versuchen, sein Leben zu retten.
    Abdullah rannte weg. Die Männer drängten zum Tor. Einige schlugen sogar den Mann neben sich weg. Sie strömten aus der Kirche heraus und eilten zu ihren Häusern.
     
    Sie zog kräftig an dem Tau. Als der Eimer in Reichweite stand,

Weitere Kostenlose Bücher