Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
Vom Netzwerk:
nebst des Dorfes trat und nicht mehr weit vom Brunnen entfernt war, welcher sich, von ihr aus gesehen, auf der rechten Seite, nur wenige Schritte vom Gehweg entfernt, befand, und Maria erblickte, blieb sie stehen und trat zurück. Sie stellte sich hinter einem Strauch. Da war sie also, ihre größte Rivalin. Sie hatte sie nun seit über sechs Monaten nicht gesehen. Irgendeine äußerliche Veränderung an ihr fiel der Kurdin nicht auf. Sie wusste alles über sie. Da sie keine Mutter mehr hatte und ein Einzelkind war, empfand Abdullahs Schwester schon Mitleid für sie. Nichtsdestotrotz, sie hatte einmal eine Affäre mit Ali und schien daher kein unschuldiges Ding zu sein.
    Doch dann sah sie etwas, was sie in diesem Augenblick nie für möglich gehalten hätte. Ali tauchte von der anderen Seite des Dorfes auf dem Gehweg auf. Er rannte schnurstracks auf den Brunnen zu. Er blieb vor dem Brunnen stehen und sprach zu Maria. Sie schaute ihn schockiert an und schüttelte den Kopf.
    Farida und Maria hatten den Kurden überhaupt nicht kommen sehen. Die Szene war peinlich für die junge Aramäerin. Farida verzog ihre Miene und konnte sich überhaupt nicht erklären, was dieser Kurde hier bei ihnen suchte.
    „ Maria, du musst mit mir kommen! Sie kommen jetzt, um euch alle zu töten. Komm mit mir mit!“
    „ Was willst du von uns, du Moslem! Weg mit dir!“
    „ Halt du dich da 'raus! Ich rede nur mit ihr!“
    Allmählich schöpfte Farida Verdacht.
    „Wovon redest du, Ali? Wer kommt, um uns zu töten?“
    „ Die Türken. Sie kommen, sie werden gleich da sein. Nur bei mir wirst du sicher sein. Komm mit mir mit!“
    Sie schaute ihn ungläubig an, dann schüttelte sie den Kopf. Was hätte er denn in diesem Moment tun sollen? Er wollte sie wirklich retten. Die Frage, ob es nun wirklich Liebe war, war ihm gerade nicht wichtig. Es galt nun, schnellstmöglich zu handeln. Er ergriff mit seiner rechten Hand ihre linke und zog sie an sich. Sie wehrte sich, war aber zu schwach. Er trug sie auf seinen Armen, dann umklammerte er sie, und sie konnte sich nicht von ihm lösen, egal wie oft sie ihn schlug. Farida schrie und fluchte. Er rannte in die Richtung des Hauses seines Vaters.
    Meridschan hatte die Szene mitangesehen. Sie war tieftraurig. Offensichtlich liebte Ali diese Aramäerin. Sie hatte das Spiel gegen sie verloren. Nach einer Weile dachte sie darüber nach, warum Ali sie überfallen hatte und sie forttrug. Irgendetwas müsste geschehen sein. Sie hastete einige Schritte nach links an einem Haus vorbei und betrat das Dorf. Sie sah, wie mehrere Aramäer vor ihren Häusern ihre Habe auftürmten, in einen Sack banden und in verschiedene Richtungen rannten. Es fiel ihr sofort wieder ein, es war also eingetroffen, die Türken waren gekommen, um die Aramäer auszulöschen. Sie erschrak und hielt sich ihre rechte Hand vor dem Mund.
    Sie rannte nach Hause. 
     
    Imam Musa Ibrahim hüpfte schon vor Sonnenaufgang aus seinem Bett heraus. Die meisten Dorfbewohner schliefen in dieser heißen Jahreszeit draußen. Vornehmlich nur die Geistlichen und die Reichen mit ihren größeren Häusern schliefen innen. Er hatte zwei Matratzen übereinander gelegt auf dem Boden. Sie waren weich, zu weich, so drang des Imams Rücken durch eine der Matratzen bis zum Boden durch. Er schmerzte fürchterlich. Deswegen hatte er eine weitere Matratze gekauft.
    Seine Frau Nurdschan schlief draußen. Sie war dicker als gewöhnlich für die Frauen in dieser Gegend, das heißt, sie hatte 30 Kilogramm Übergewicht. Jetzt im Mai wurden auch die Nächte immer wärmer und drinnen im Haus war es für sie zu stickig. Sie schnarchte furchtbar laut und schwitzte aus allen Poren. Ihre Kleidung legte sie vor dem Schlafen nicht ab, nur das seidene blaue Oberkleid.
    Er ging in den Vorraum neben ihrem Wohnzimmer. Dort stand ein Eimer voll kaltem Wasser. Nur selten schwitzte er, trotz der vielen Gewänder auf seinem Körper. Doch an diesem Morgen schwitzte er. Ob es nun die Aufregung war oder ein böses Omen, darüber wollte Musa nicht nachdenken. Überhaupt, was an diesem Tag geschehen sollte, würde seine Vorstellungskraft weit übertreffen. So nahm er sich vor, seinen Verstand aussetzen zu lassen.
    Vorsichtig, als wolle er prüfen, ob das Wasser nicht schädlich sei, tauchte er seine beiden zusammengefalteten Hände in den Eimer ein. Es war zu kalt. Er spürte, wie sich die Kälte mit einem Schlag durch seinen Innenkörper bohrte. Diese Kälte mochte er. Er dachte, sie würde ihn

Weitere Kostenlose Bücher