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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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streckte Farida ihre Arme aus, packte ihn mit beiden Händen und setzte ihn auf den Steinvorsprung des Brunnens. Für Maria war das Ziehen des Taus keine große Anstrengung. Sie lächelte sogar dabei. Das Wasser reichte für ihre beiden Eimer, welche zu ihren Füßen lagen. Farida kippte den Eimer voll Wasser vorsichtig zur Seite, Maria hielt ihren Eimer genau unterhalb des anderen. Wasser war hier sehr kostbar. Kein bisschen durfte sie verschütten. Es galt als Sünde, Wasser zu verschwenden.
    Sie waren allein. Die anderen Mädchen des Dorfes hielten sich entweder zuhause auf und bereiteten zusammen mit ihren Müttern das Mittagsmahl vor oder sie trieben sich irgendwo in einer Ecke des Dorfes herum, wo sie über diesen und jenen lästerten.
    Maria bemerkte plötzlich, auf der linken Seite des Eimers war ein Loch, aus dieser Seite floss Wasser heraus. „Pass auf, Farida!“
    Farida drehte den Eimer um und verteilte somit das Wasser auf die andere Seite der Innenfläche des Eimers. Aber dennoch trat immer noch Wasser aus der linken Seite des Eimers heraus.
    „ Das waren wieder diese verdammten Moslems! Sie lassen uns Christen nichts mehr. Ich habe es dir gesagt, sie werden kommen und uns alles nehmen. Auch unser Leben. Gott verdamme sie!“
    „ Übertreibe nicht, Farida. Nicht alle Moslems sind so. Es gibt auch gute unter ihnen.“
    „ Ach ja, wen den zum Beispiel?“
    „ Ich meine ja nur, es gibt bestimmt auch gute unter ihnen. Sie sind doch auch Menschen wie wir. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie alle so grausam sind.“
    „ Sie sind aber alle so, glaub mir!“
    Maria hatte zufällig Ali, den Schürzenjäger, kennengelernt. Eines Tages vor etwa drei Jahren war ihr Vater am frühen Abend immer noch nicht von der Arbeit zurückgekommen. Sie hatte sich Sorgen gemacht und war durch die Wälder der Hügel gestreift. So lief sie zufällig dem jungen Hirten über den Weg. Er sprach sie sogleich an. Sie wusste, wer er war. Sie fragte ihn nur, ob er ihren Vater gesehen hätte. Er bejahte ihre Frage und sagte ihr, wo sich ihr Vater aufhielt. Sie eilte davon und fand ihren Vater genau an der Stelle der Seite des südlichen Hügels, von welcher Ali gesprochen hatte. Das nächste Mal sah er sie am Brunnen und wechselte wieder einige Worte mit ihr. Sie wollte den Kontakt mit ihm vermeiden, doch machte dieser junge sympathische Kurde einen merkwürdigen Eindruck auf sie. Er hatte ihr geholfen, ihren Vater zu finden und er war sonst auch sehr freundlich zu ihr. Dieses Verhalten von jungen muslimischen Männern gegenüber christlichen Frauen war keineswegs selbstverständlich. Schließlich, als ihr eines Nachmittags zuhause langweilig geworden war, machte sie sich auf zum südlichen Hügel, in der Hoffnung, ihn dort anzutreffen.
    Obwohl es zu gefährlich war, traf sie sich regelmäßig mit ihm. Ihre Affäre hielt mehrere Wochen an. Sie küssten sich und fassten sich gegenseitig an, doch kam es nicht zum Akt.
    Sie hatte erkannt, was für ein Mann Ali wirklich war. Er konnte keiner Frau treu sein. Und zudem, er war ja ein Moslem, diese Beziehung hatte nun einmal keine Zukunft. Also ging sie nicht mehr zu ihren heimlichen Treffen und seitdem vermied sie den Kontakt zu ihm. Dies war der Grund, warum sie nicht mehr so oft das Haus verließ und den Kontakt zu anderen Menschen weitestgehend mied. Sie hatte Ali nun schon seit über einem Jahr nicht mehr gesehen.
    Ihre Affäre mit diesem Moslem war eine schwere Sünde gewesen. Sie bat Gott jeden Tag um die Vergebung dieser Sünde. Niemand durfte je von dieser einstigen Beziehung erfahren. Sie war bisher nur einmal zur Beichte gegangen, doch schämte sie sich zu sehr, Abuna Malke von dieser Geschichte zu erzählen.
    Die einzige Person, außer den beiden ehemaligen Liebenden, welche über ihre Affäre Bescheid wusste, war Meridschan. Meridschans Affäre mit Ali war intensiver und lang anhaltender als alle anderen. Irgendwann rutschte dem ungestümen Kerl die Geschichte heraus. Zwar war die junge Kurdin tief bedrückt wegen dieser Sache, denn sie war eifersüchtig auf Maria, galt jene doch als eine der Schönsten des Dorfes. Aber sie hatte nicht vor, sie weiterzuerzählen. Zum einen wollte sie ihre Liebe zu Ali nicht aufs Spiel setzen und zum anderen hatte sie schon Skrupel davor, das Leben einer jungen Frau zu zerstören.
    Meridschan war unterwegs zum Brunnen auf dieser östlichen Seite des Dorfes, mit einem Eimer in ihrer rechten Hand. Als sie in die Ecke einbog und auf den Gehweg

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