Liebe, unendlich wie das Meer
ordentlich die Meinung sagen – auf ziemlich unschmeichelhafte Art. Vielleicht sogar mit den Fäusten.
Wie hatte Reese Cassandra so verletzen können? Und warum nur? Wie konnte ein Mann mit irgendeiner anderen Frau schlafen, wenn er mit Cassandra verheiratet war?
„Das Bad ist frei“, meldete Madeline.
Alex nickte, stand aber nicht auf.
„Möchtest du vielleicht drüber reden?“, fragte sie.
„Nein“, erwiderte er, konnte dann aber doch nicht schweigen. „Wusstest du, dass Reese seine Frau betrogen hat?“
„Ja.“
Die Antwort war ein Schock. „Verdammt. Und wieso wusste ich nichts davon?“
„Weil du nie auf die Partys gegangen bist. Dort hat er die Frauen ja kennengelernt. Alle wussten es. Wir haben angenommen, dass Cassandra deshalb nicht mit auf die Törns kommt. Reese hat zwei Leben gelebt, und das gefiel ihm wohl auch so. Hast du was mit ihr?“, fragte sie unvermittelt.
„Nein.“
„Belügst du jetzt nur mich oder dich selbst auch?“
„Dich.“
„Ich verrate keinem was“, sagte sie und zwinkerte ihm zu.
Er stand auf und ging ins Bad, bevor er Madeline noch sein Herz ausschüttete. Es wäre nicht fair gewesen, sie mit seinen Geheimnissen zu belasten.
„Danke“, sagte er über die Schulter, dann schloss er die Tür hinter sich.
Im Bad starrte er lange in den Spiegel. Wie hatte er nur so blind sein können? Reeses Untreue änderte alles. Oder doch nicht? Wieder sah er vor sich, wie der Freund in dem schäumenden Wasser unterging. Er hatte ihn getötet. Verzweifelt lehnte er die Stirn an das kühle Glas. Nahm dieser Albtraum denn nie ein Ende?
Als Cass am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich nicht besser. Noch immer war ihr übel, und jede Bewegung machte es schlimmer. Sie richtete sich auf und schaute nach der Uhr auf dem Nachttisch. Als ihr Blick auf den Teller Suppe fiel, schaffte sie es gerade noch ins Badezimmer.
So sehr es ihr widerstrebte, sie musste wohl im Büro in New York jemanden anfordern, der sie im White Caps vertrat. Es war das erste Mal, dass sie mitten in einem Projekt aus persönlichen Gründen die Leitung abgab, aber es ging nicht mehr anders.
Sie brauchte eine Pause zum Nachdenken. Eine Pause von Alex. Sie konnte sich nicht mehr konzentrieren, und sogar ihre Gesundheit litt schon darunter. Selbst wenn sie sich zur Arbeit zwang, konnte sie auf der Baustelle nicht viel machen, wenn ihr ständig schlecht wurde.
Nachdem sie im Büro angerufen hatte, ging es ihr etwas besser. Ein Mitarbeiter würde am nächsten Tag eintreffen. Dann musste sie ihm nur noch das Haus zeigen und ihm das Team vorstellen.
Am schwersten fiel es ihr, Frankie und Joy ihre Entscheidung mitzuteilen, aber was sollte sie machen? Leider waren die beiden schon abgereist, sodass sie ihnen nur Nachrichten auf die Mailboxen sprechen konnte.
Als sie zum White Caps kam, versuchte sie, nicht zur Werkstatt und der schwarzen Corvette hinüberzuschauen. Zum Glück waren ihre Männer schon da und präsentierten ihr gleich ein Problem, das es zu lösen galt, bevor die Klempner eintrafen. Wie immer lenkte die Arbeit sie ab, und es ging ihr tatsächlich etwas besser.
Zum Feierabend teilte sie der Crew mit, dass sie am nächsten Tag ihren Nachfolger vorstellen würde, und es freute sie, dass die Männer sie nur ungern ziehen ließen. Danach fuhr sie zu Grays Haus zurück und nahm sofort ein heißes Bad. Ihr taten alle Glieder weh, und das dampfend heiße Wasser half ein wenig.
Gerade, als sie sich zu entspannen begann, klopfte es an der Tür.
„Cass, ich bin’s, Libby. Kann ich reinkommen?“
„Moment, ich muss nur eben aus der Wanne steigen.“
Was ihr unglaublich schwerfiel. Langsam, wie in Trance, zog sie sich einen Bademantel über, und als sie durchs Zimmer ging, um die Tür zu öffnen, hatte sie das Gefühl, auf Watte zu laufen.
„Hi, Libby“, murmelte sie.
„Ich wollte nur fragen …“ Die Haushälterin betrachtete sie besorgt. „Ist alles in Ordnung? Sie sind ja ganz blass.“
„Mir geht’s gut.“ Cass schwankte ein wenig und hielt sich am Türrahmen fest. „Alles in …“ Dann fiel sie in Ohnmacht.
Libby bestand darauf, sie zum örtlichen Landarzt zu bringen, und bei dem alten Doktor fühlte sich Cass in guten Händen.
„Könnten Sie vielleicht schwanger sein?“, fragte Doc John, als sie ihm von ihren Beschwerden erzählt hatte.
Die Frage überraschte sie völlig. „Äh, nein.“
„Aber Sie hatten in letzter Zeit …“
Als sie errötete, sprach er nicht
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