Liebe, unendlich wie das Meer
von ihr zu lassen, ist mir ein absolutes Rätsel.
Und obwohl es ihr eigentlich egal sein konnte, hatte sie sogar Mitleid mit ihm. Schließlich wusste sie selbst, wie schwer es war, sich etwas zu wünschen, das man nicht haben konnte. Und ihm ging es mit seiner Wunderbaren schließlich schon seit Jahren so.
„Es ist ziemlich hart, was?“, murmelte sie.
„Was meinst du?“
„Nicht mit seiner großen Liebe zusammen sein zu können.“
Er schloss die Augen. „Es ist die Hölle.“
„Ja“, seufzte sie. „Die Hölle.“
Auf einmal musste sie an Reese denken. An den Abend, an dem sie von seiner Untreue erfahren hatte. Damals hatte sie sich eingeredet, dass es ihr nicht viel ausmachte. Jetzt empfand sie anders. Sie würde sich nie wieder nur mit Sicherheit und Vertrautheit zufriedengeben. Seit sie Alex kannte, wusste sie, wie wahre, leidenschaftliche Liebe sich anfühlte. Doch Alex würde seine Traumfrau nie wieder betrügen …
„Wie viel wusstest du eigentlich?“, platzte sie heraus. „Über Reese und seine Affären?“
Alex starrte sie an, als hätte sie plötzlich Chinesisch gesprochen. „Was?“
Verflixt, sie hatte ihn nicht in eine peinliche Situation bringen wollen. „Tut mir leid, ich …“
„Was hast du gerade gesagt?“, rief er erregt.
Sie zuckte zusammen, merkte dann aber, dass er nicht wütend, sondern vielmehr entsetzt war. Kein Wunder, er rechnete wohl nicht damit, dass sie Bescheid wusste.
„Du brauchst ihn nicht mehr zu decken, ich weiß, dass er mich betrogen hat. Ich habe ihn vor zwei Jahren sozusagen in flagranti erwischt. Davor hatte ich zwar immer den Verdacht, aber keinen Beweis.“
Alex starrte sie schweigend an. Versuchte er, sich eine Entschuldigung für seinen toten Freund auszudenken? Hoffentlich stritt er es wenigstens nicht rundweg ab, denn Lügen passte einfach nicht zu ihm.
„Das hätte er nicht … das hätte er doch nicht getan“, stotterte Alex. „Wie hätte er dir so was antun können?“
Er wirkte so ungläubig und gleichzeitig angewidert, dass er offenbar tatsächlich von nichts wusste. Reese hatte diesen Aspekt seines Lebens auch vor ihm geheim gehalten.
Am liebsten hätte sie sich entschuldigt, aber das war ja völlig lächerlich.
Alex griff nach ihrer Hand und drückte sie.
„Wie konnte er sich für andere Frauen interessieren?“, fragte er, schüttelte dann den Kopf. „Entschuldige. Das sollte ich wohl nicht dich fragen. Außerdem geht es mich nichts an.“
Doch Cassandra war geradezu erleichtert, endlich mit jemandem darüber reden zu können. Sie hatte Reeses Geheimnis so lange gewahrt, und es tröstete sie, dass Alex nicht eingeweiht gewesen war.
„Das habe ich mich natürlich auch gefragt“, gab sie zu. „Und ich war auch wütend darüber, aber ich habe ihn nie zur Rede gestellt. Jetzt, wo er tot ist, wünschte ich, ich hätte es getan. Dann wäre ich jetzt nicht so enttäuscht deswegen und könnte ehrlicher um ihn trauern. Ich meine, er war immer diskret und hat mich nie damit konfrontiert. Es passierte immer nur, wenn er auf Törns war, aber …“
Sie seufzte und schaute auf ihre Hand hinunter, die noch immer in der von Alex ruhte. Es gab noch ein Geheimnis, von dem er nichts wusste – das ihrer Vergangenheit. Reese hatte gewollt, dass nie jemand davon erfuhr, aber sie war es so müde, die High-Society-Lady zu spielen. Alex sollte alles von ihr wissen.
„Er hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin“, sagte sie leise. „Das hat er dir wahrscheinlich auch nicht erzählt, oder? Ich stamme aus sehr armen Verhältnissen. Meine Eltern waren Alkoholiker. Nach der Schule habe ich ein Stipendium an einem staatlichen College bekommen, und als ich den Abschluss hatte, wollte ich nur noch weg von zu Hause. Also kam ich nach New York. Mir war klar, dass es nicht leicht würde, aber es war noch viel härter als gedacht.“
Sie schluckte. „Schließlich habe ich einen Aushilfsjob in einem Architekturbüro bekommen. Das hat mich sofort fasziniert. Ich habe auf der Abendschule mein Diplom gemacht. Reese war mein erster richtiger Auftraggeber. Er hat mich dann seinen Freunden weiterempfohlen, mir beim Aufbau meiner Firma geholfen, mich in die Gesellschaft eingeführt. Schließlich habe ich ihn geheiratet – weil es das Einzige war, um was er mich je gebeten hat, und weil ich wirklich dachte, dass ich ihn liebe.“
Cass spürte, wie ihr eine Träne über die Wange lief. Sie wischte sie weg, doch es folgten noch mehr.
„Ich habe immer
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