Liebe Unerwuenscht
Doppelsinn.
»Um so besser, wenn es so ist«, sagte Caroline. Und konnte sich nicht verkneifen hinzuzufügen: »Dann sind Sie hier bald weg, und ich habe endlich wieder meine Ruhe.«
Sie verließ den Raum, sich Jennifers Blick in ihrem Rücken nur zu sehr bewusst. Caroline hätte gern gewusst, welcher Ausdruck in ihm lag. Während sie die Tür hinter sich zuzog und sich des Beamten neben Jennifers Zimmer gewahr wurde, fiel Caroline ein, dass sie eigentlich aus einem bestimmten Grund zu Jennifer gegangen war. Nämlich um herauszufinden, unauffällig natürlich, ob ihr Anwalt mittlerweile etwas erreicht hatte. Was das betraf, war sie genauso schlau wie vorher. Statt dessen hatte sie sich in dieses dumme Gespräch verwickeln lassen. Eine deutliche Provokation Jennifers.
Caroline kam von der Kantine zurück. Für sechzehn Uhr war die Besprechung mit den Kollegen anberaumt, um den Operationsplan des nächsten Tages festzulegen. Auf dem Weg zu ihrem Büro, aus dem Caroline noch schnell ein paar Unterlagen holen musste, wurde sie von einer aufgeregten Schwester Inge abgefangen.
»Frau Feiler!« rief die Schwester.
Caroline fühlte, wie sie erschrak. Hatte das MRT so einen drastischen Befund ergeben? »Was ist mit ihr?«
»Sie ist weg.«
»Weg? Wie – weg?« fragte Caroline verwirrt.
»Auf dem Weg von der Radiologie auf die Station wurde ihr plötzlich schlecht. Sie brach zusammen. Ich bat den Beamten, der uns begleitete, mir zu helfen. Als der sich runterbeugte, richtete Frau Feiler sich blitzschnell auf, rammte ihm ihr Knie in den Magen, und während der arme Mann sich noch krümmte, entwand sie seine Waffe aus dem Halfter.«
»Erzählen Sie keine Räuberpistolen, Schwester!«
»Genauso war es! Frau Feiler schloss uns mit meinem Schlüssel im Wäscheraum ein. Es vergingen einige Minuten, bis jemand zur Stelle war, der auch einen Schlüssel hatte.«
»Und keiner der Vorbeikommenden hat etwas unternommen, als Frau Feiler Sie und den Beamten eingesperrt hat?«
»Nein. Sie hatte ja diese Waffe.«
»Frau Feiler ist getürmt? Wollen Sie das damit sagen?«
Caroline wurde blitzschnell klar, was das bedeutete. Erstens: Sasse würde sie dafür verantwortlich machen. Womöglich verdächtigte er sie, das MRT angeordnet zu haben, um Jennifer zur Flucht zu verhelfen. Zweitens: Jennifer Feiler war nun zwar weg, aber auf die Art und Weise verschaffte das ihr, als deren Ärztin, nicht die geringste Ruhe. Die Frau war verrückt, sich in ihrem angeschlagenen Zustand auf eine Verfolgungsjagd mit der Polizei einzulassen.
Sasse tauchte, wie erwartet, kurze Zeit später abgehetzt im Krankenhaus auf, machte Caroline, ebenso wie erwartet, Vorwürfe und veranlasste die Fahndung nach Jennifer Feiler. »Die Frau wird noch lernen, mit wem sie sich angelegt hat!«
Caroline schüttelte nur den Kopf. Warum fuchste den Mann das alles so? Er war Polizist, so etwas wie dieser Rückschlag passierte doch sicher öfter in seinem Job. Jennifer konnte nicht die erste Verdächtige sein, die ihr Heil in der Flucht suchte. Sasse tat, als wäre sie seine persönliche Kontrahentin.
Darüber hinaus ermahnte Caroline sich zur Ruhe, denn die Nachricht von Jennifers Verschwinden setzte ihr doch sehr zu. Aber sich fortwährend den Kopf über deren gesundheitlichen Zustand zu zerbrechen hatte ebensowenig Sinn, wie sich die Frage zu stellen, ob Jennifer auf der Flucht war, um sich der Strafe zu entziehen, oder um ihre Unschuld zu beweisen. Die Antwort darauf würde sie nicht finden.
Im Grunde geht sie dich auch gar nichts an, Caroline.
4.
C aroline kam erst spät nach Hause.
Sasse machte jede Menge Wirbel im Krankenhaus und verlangte, dass Caroline und die Schwester im Anschluss nach ihrem Dienst aufs Revier kamen. Dort wurde ein Protokoll aufgenommen.
Sasse befragte Caroline peinlichst genau nach allem, was sie mit Jennifer Feiler gesprochen hatte. Caroline zuckte nur mit den Schultern. Es wären belanglose Gespräche gewesen, nur den Gesundheitszustand der Patientin betreffend.
Auch während der Befragung drängte sich Caroline wieder der Eindruck auf, Sasse habe ein persönliches Interesse daran, Jennifer dingfest zu machen. Sie hatte nur nicht die leiseste Ahnung, was das für ein Interesse sein konnte.
Eines machte Caroline angesichts Sasses Verbissenheit stutzig. Jennifer Feiler hatte bekanntlich mit einem Bauchschuss im Krankenhaus gelegen. Wie ging das, wenn sie sich, wie es doch hieß, der Festnahme entziehen und fliehen wollte? Da hätte
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