Liebe Unerwuenscht
schlechthin in dieser Stadt. So liest man es auch in der Presse. Sie sagt mir Weitsicht, Risikobereitschaft und Kreativität nach. Doch, wie Sie sich denken können, Caroline, diese wohlklingenden Eigenschaften allein, welche mir die Presse zugesteht, hätten mich nicht zu dem gemacht, was ich bin. Es braucht eine ziemlich dicke Haut, nicht selten eine Portion Rücksichtslosigkeit, um sich zu behaupten. Damit macht man sich nicht immer Freunde.«
Jennifer beobachtete, wie ihre Worte bei Caroline ankamen. Im Moment blickte die noch ganz gelassen.
»Einer meiner neuesten Nicht-Freunde war Markus Frey«, fuhr Jennifer fort. »Ich habe das Bankhaus Frey, Familienunternehmen seit 1870, meinem Konzern einverleibt. Für mich nur ein Puzzleteil im großen Ganzen. Für Frey eine Katastrophe: Das Ende langjähriger Familientradition, ganz abgesehen vom finanziellen Ruin. Der Mann war wirklich nicht gut auf mich zu sprechen. Wie so viele andere übrigens auch nicht. Aber Frey fand einen Weg, mir Schwierigkeiten zu machen.«
Schweigen. Immer noch sah Jennifer in Carolines Augen Interesse, gepaart mit Neugier.
»Wie?« fragte Caroline.
»Nicht auf geschäftlichem Weg. Der alte Halunke«, sagte Jennifer.
Blitzte da in ihrem Gesicht so etwas wie Anerkennung? , fragte Caroline sich irritiert.
Jennifer machte eine längere Pause, bevor sie weitersprach. »Er hat Sarah engagiert, die sich an mich ranmachte – und ich falle glatt darauf rein. Merke nicht, wie ich ausspioniert werde. Über vergangene Geschäfte, über zukünftige Geschäfte, über meine Verbindungen. Und ich Idiotin, mehr selbstverliebt als verliebt, plappere aus dem Nähkästchen.« Jetzt lächelte Jennifer versonnen. »Wer vermutet auch hinter einem solch süßen Gesicht die Kleindarstellerin in einer Intrige. Kleine, süße Sarah.«
Ein erneutes Schweigen entstand, in dem Caroline sich verwundert fragte: Wie kann Jennifer bei so einer Geschichte so gelassen bleiben?
»Na ja«, fuhr Jennifer fort, »so ist das im Leben.«
»Was ist denn nun passiert?« Caroline wurde langsam ungeduldig.
»Sarah hat einen Computervirus auf meinem PC platziert. Ganz simpel von einer CD auf meine Festplatte kopiert. Sie musste nur auf die passende Gelegenheit warten: Wir waren bei mir zu Hause. Ich hatte mich am PC eingeloggt, um noch ein paar Mails abzuschicken, als Sarah mich von hinten umarmte und . . . na ja. Ich war sehr abgelenkt, schaltete nicht mal mehr den PC aus. Eigentlich war ich nicht sehr müde, aber ich schlief – noch fast währenddessen – ein, verschickte die Mails erst am Morgen, bevor ich ins Büro ging. Gegen Mittag bekam ich über Unregelmäßigkeiten in der Firmensoftware Bescheid. Der Virus wurde lokalisiert, zurückverfolgt. Die Experten identifizierten die Quelle sehr schnell: mein PC zu Hause. Zeitpunkt der Infektion: zwei Uhr nachts. Es kam nur eine Person in Frage. Nun wusste ich auch, warum ich so schnell eingeschlafen war. Sarah hatte mir K.-o.-Tropfen in den Wein gegeben. Machen Sie sich eine Vorstellung davon, was ein Systemausfall für einen Firmenverbund wie meinen bedeutet? Nicht umsonst gebe ich jährlich Unmengen für die Sicherheitssysteme aus. Mit jeder Minute verlor ich Tausende von Euro!«
»Wie haben Sie reagiert?«
»Zunächst fragte ich mich, warum Sarah das gemacht hatte. Dann fand ich heraus, dass Frey dahintersteckte. Er hatte mich an meiner empfindlichsten Stelle getroffen. Und er wartete schon auf meinen Anruf, bot mir, für einen stolzen Preis, ein Programm an, das den Virus killen würde. Das tat das Programm auch, aber eine Unterroutine leitete gleichzeitig eine Menge firmeninterne Daten an einen externen Server. Wir bemerkten es zu spät.«
»Sie haben ein Problem gegen ein anderes eingetauscht.«
»Schlimmer! Vorher verlor die Firma nur Geld, weil wir bestimmte Transaktionen nicht durchführen konnten. Nun waren alle unsere Abschlüsse gefährdet, weil Frey unsere Limits kannte. Er brauchte nur unserer Konkurrenz einen entsprechenden Tipp geben, und die würde ein Gegenangebot machen, bei dem wir passen mussten. Nur ein paar solcher Niederlagen, und der Stern meiner Firma würde plötzlich zur Supernova.«
»Frey hat es also tatsächlich geschafft, Sie in Bedrängnis zu bringen.«
»In sehr ernste Bedrängnis.«
»Ihn aus dem Weg zu räumen, scheint da ein logischer Schluss.«
»Ich weiß, aber ich habe es nicht getan. In der Nacht, als Frey erschossen wurde, war ich . . . na ja . . . mit Sarah
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