Liebe Unerwuenscht
zusammen. Wie gesagt, sie ist wirklich sehr süß. Und ich bin nicht nachtragend. Hätte Frey nicht sie benutzt, dann eine andere. Sie hat nur getan, was sie für einträglich hielt. Dafür habe ich Verständnis. Es entspricht irgendwie meiner Philosophie.«
Caroline sah Jennifer verdattert an. Das glaube ich jetzt nicht!
»So absurd es ist. Aber Sarah, die aktiv daran beteiligt war, mich in den Schlamassel zu ziehen, ist mein Alibi. Sie ist die einzige, die mir den Schlamassel auch wieder vom Hals schaffen kann«, beendete Jennifer ihre Geschichte.
Dass ihr Alibi nur eine Dienstleistung Sarahs war, die sie teils bei ihrem schlechten Gewissen und teils an ihrem Gerechtigkeitsgefühl packte, verschwieg Jennifer. Das war auch nebensächlich, wie sie fand. Sie war in der Sache unschuldig.
Jennifer sah Caroline abwartend an.
Caroline glaubte spätestens jetzt alles, was sie über Jennifers Affären gehört hatte. Es gab keine Veranlassung mehr, daran zu zweifeln. Jennifer selbst erzählte freimütig über sie: Sasses Frau, eben erwähnte Sarah.
Warum interessiert dich eine Frau wie Jennifer überhaupt? , fragte Caroline sich. Und sag nicht, sie tut es nicht. Schließlich bist du die ganze Zeit um sie herum. Nicht zuletzt deswegen saß Jennifer jetzt hier in ihrer Küche – Verdächtige in einem Tötungsdelikt, auf der Flucht –, und sie aß gemütlich mit ihr zu Abend. Was faszinierte sie so an Jennifer?
Caroline musste sich eingestehen: Sie hatte keine Ahnung. Sie wusste nur, dass egal was sie versuchte, um dagegen anzukommen, vergebens war.
Dabei war sie sonst eine Frau, die ihren Verstand gebrauchte. Gut gebrauchte. Dieser Verstand sagte ihr zwar auch jetzt, dass sie sich in eine unmögliche Situation hineinlavierte, aber er sorgte nicht dafür, dass ihr Gehirn die entsprechenden Signale verarbeitete, löste nicht die angemessene Reaktion aus, sich aus dieser Situation wieder herauszulavieren. Zum Beispiel, indem sie Jennifer jetzt bat zu gehen.
»Caroline?« hörte sie Jennifers Stimme fragen.
Offenbar fragte Jennifer nicht zum ersten Mal, wie Caroline dem beunruhigten Gesichtsausdruck Jennifers entnahm.
»Fühlen Sie sich nicht gut?«
Caroline lächelte schief. »Das ist meine Frage. Ich bin hier die Ärztin.«
»Sie sehen blass aus«, sagte Jennifer besorgt. »Habe ich Sie mit meiner Beichte . . . schockiert?«
»Quatsch«, wehrte Caroline ab.
»Aber Sie haben irgend etwas«, beharrte Jennifer. »Sagen Sie mir, was es ist. Vielleicht kann ich . . . Sie glauben doch nicht plötzlich auch, dass ich Frey getötet habe? Dass ich mir die Geschichte mit Sarah nur ausgedacht habe?«
Sie musterte Caroline. Ihr lag plötzlich daran, dass Caroline ihr glaubte, dass sie nichts mit Freys Tod zu tun hatte. Da sie Caroline aber nicht einweihen wollte, was an dem Abend bei Frey geschehen war, blieb ihr nur die mit Sarah vereinbarte Version: »Sarah und ich waren an dem Abend zusammen. Wirklich. Es war eine ziemlich leidenschaftliche Nacht. Wir . . .«
»Schon gut«, unterbrach Caroline. »Ich glaube Ihnen ja. Oder habe ich etwas anderes gesagt? Unnötig, mir Details zu beschreiben.«
Irgendwie tat es Jennifer leid, Caroline zu belügen, wenn es auch eine Notlüge war. Allerdings, Jennifer schmunzelte in sich hinein, war es amüsant zu sehen, wie Caroline errötete.
Jennifer stand auf, räumte den Tisch ab, stellte das Geschirr in den Geschirrspüler. »Danke für das Essen. Ich denke, es ist besser, ich gehe dann.«
Caroline erhob sich ebenfalls. »Wo wollen Sie denn hin?«
»Ich weiß noch nicht. In irgendein Hotel.«
»Brauchen Sie Geld?«
»Machen Sie Witze? Ich habe genug . . . oh, richtig. Meine Karte. Die ist im Krankenhaus bei meinen Sachen.«
»Ach, das wissen Sie ja noch nicht. Sasse hat nach Ihrer Flucht alles beschlagnahmt.«
»Verdammt«, fluchte Jennifer. »Ich werde langsam wirklich sauer. Dieser Sasse geht mir echt auf die Nerven.«
Caroline legte ihre Hand auf Jennifers Arm. »Beruhigen Sie sich. Es bringt doch nichts, sich aufzuregen.«
Jennifer seufzte. »Ja, Sie haben recht.« Sie legte ihre Hand auf Carolines und schaute sie dankbar an.
Caroline senkte verlegen den Blick, zog ihre Hand zurück. »Also was ist jetzt, brauchen Sie Geld?«
»Ja, sieht wohl so aus«, sagte Jennifer zerknirscht.
»Einen Moment.« Caroline ging in den Flur, kam mit dreihundert Euro in der Hand wieder. »Das ist alles, was ich im Haus habe. Rufen Sie mich an, wenn Sie mehr brauchen.
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