Liebe Unerwuenscht
Sie unseren Abend nicht mit so einer nutzlosen Diskussion.«
»Ich finde so eine Diskussion durchaus nicht nutzlos«, widersprach Caroline ernst. »Kann sie doch dazu dienen, unsere Standpunkte auszutauschen und so einander besser kennenzulernen. Ich würde schon gern wissen, welche Charakterzüge außer Eitelkeit und Egoismus sonst noch bei Ihnen vorherrschend sind. Dass es Rücksicht nicht ist, liegt auf der Hand. Die verträgt sich nicht mit Egoismus. Wie wäre es wenigstens mit ein wenig Anteilnahme, menschlicher Wärme. Ist irgend etwas davon in Ihnen? Sie waren dankbar für meine Hilfe, als Sie in Schwierigkeiten waren. Helfen Sie auch anderen – vielleicht sogar, ohne eine Gegenleistung zu erwarten?«
Jennifer hatte während Carolines kleiner Rede schweigend weitergegessen. Jetzt legte sie das Besteck ab und blickte Caroline an. »Als Sie vorhin meinen schlechten Ruf erwähnten, war ich nicht beleidigt. Jetzt bin ich es.«
»Weil es diesmal um eine ernste Sache geht«, vermutete Caroline.
»Weil ich dachte, Sie würden trotz allem mehr von mir halten«, stellte Jennifer richtig. »Fragen Sie mich im Ernst, ob ich jemals etwas für andere tue? Zweifeln Sie an meinem Mitgefühl? Denken Sie, ich bin nichts anderes als eine erfolgsbesessene, kühl rechnende Geschäftsfrau ohne soziales Gewissen?«
»Entschuldigung, aber so hört sich Ihre Daseinsberechtigungstheorie für mich nun mal an.«
»Und ich habe bisher gedacht, dass Sie sich nicht vom ersten Anschein täuschen lassen. Zu Ihrer Information. Meine Firma spendet jedes Jahr im Wert von zweihundertfünfzigtausend Euro. Wir unterstützen damit diverse Tierschutzvereine und Hilfsorganisationen. Schicken Sachspenden an Kinderheime. Ja, ich denke schon, dass ich ab und an anderen ohne Gegenleistung helfe.« Jennifers Blick wurde eine Nuance dunkler. »Ich behaupte nicht, fehlerlos zu sein. Aber ich glaube, niemand hat das Recht, mir Vorwürfe zu machen oder gar Vorschriften, wie ich mich zu verhalten habe.«
Caroline biss sich auf die Lippen. »Tut mir leid«, presste sie hervor. »Mein Urteil war wohl etwas voreilig.«
»Ja. Das war es.«
Jennifer schwieg jetzt. Caroline sah sie verstohlen an. Jennifer hielt den Blick jedoch gesenkt und signalisierte damit, dass sie verstimmt war.
Caroline räusperte sich. »Jennifer?«
Diese sah auf.
»Kommen Sie schon«, verteidigte Caroline sich. »Schließlich geben Sie die ganze Zeit die eiserne Lady. Dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn man Sie am Ende auch dafür hält.«
»Ja, sicher haben Sie recht«, gab Jennifer zu. »Ich dachte nur . . . aus Ihrem Mund hat mich so ein vorschnelles Urteil überrascht.« Jennifer sah Caroline betrübt an. »Das mochte ich so an Ihnen, Ihre unvoreingenommene Sicht auf die Dinge.« Sie senkte wieder den Blick.
Caroline fühlte sich hilflos angesichts Jennifers verletzter Gefühle. Schuldbewusst legte sie ihre Hand auf Jennifers. »Ich wollte Sie nicht vor den Kopf stoßen.« Sie seufzte. »Bitte, seien Sie wieder gut mit mir«, bat sie leise.
Jennifer hob langsam den Kopf. »Ich wusste doch, dass Sie mir hoffnungslos verfallen sind«, erwiderte sie mit Schalk in den Augen, und sofort wurde Caroline klar, dass Jennifer ihr etwas vorgespielt, sie absichtlich zappeln gelassen hatte. Aber sollte sie ihr einen Vorwurf machen? Ihr Urteil über Jennifer war vorschnell gewesen.
Caroline verzichtete auf einen erneuten Disput, gab verlegen Jennifers Hand wieder frei. Jennifer schenkte Caroline von dem Rotwein nach. Sie selbst hielt sich nach dem einen Glas, das sie zum Essen getrunken hatte, an Mineralwasser.
»Was halten Sie von einem Spaziergang am Meer?« fragte Jennifer ohne Überleitung.
Caroline, von der Frage überrascht, erwiderte: »Klingt toll. Nur ist, soweit ich weiß, das nächste Meer ungefähr hundertfünfzig Kilometer von hier weg.«
Jennifer schmunzelte. »Das sind doch nur zwei Stunden mit dem Auto. Es ist jetzt halb zehn, um halb zwölf wären wir da.«
Caroline starrte Jennifer entgeistert an. »Sie meinen das ernst?«
Jennifer nickte. Ihre Augen hielten Carolines Blick gefangen.
»Sie sind ja verrückt!« presste Caroline beklommen hervor.
»Haben Sie morgen früh Dienst?«
»Nein, ich habe frei, aber . . .«
». . . ich habe ein Ferienhaus dreihundert Meter vom Strand entfernt. Dort können wir übernachten. Morgen Mittag fahren wir zurück.«
»Jennifer, ich . . .«
»Das Haus hat zwei Schlafzimmer. Nur ein Spaziergang am Strand,
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