Liebe – wie im Maerchen
ziemlich jeden gegen sich aufgebracht hatte.
Raschid sprach kein Wort, als er wieder mit ihr tanzte, nachdem er die Braut bei Julian abgeliefert hatte. Doch seine starre Haltung und das verschlossene Gesicht besagten genug.
"Ich hatte dich gewarnt", brach Evie das unerträgliche Schweigen.
"Das hast du", stimmte er zu. "Zu schade, dass sich in deinem Schlafzimmer keine versteckten Kameras befinden, denn dann hätten wir dem Klatsch sofort ein Ende gesetzt."
"Raschid!" Evie wurde jetzt auch ärgerlich. "Was hättest du denn getan, wenn dies Ranyas Hochzeit gewesen wäre, zu der man mich aus einer Laune des Schicksals heraus eingeladen hätte?" Als er schwieg, gab sie ihm die Antwort selbst. "Du hättest mich gebeten, die Einladung nicht anzunehmen! Und wenn ich dir - wie du mir - dann gesagt hätte, du sollest dich zum Teufel scheren, hättest du mich auf der Feier strikt ignoriert."
Als Raschid immer noch nichts erwiderte, fügte Evie kühl hinzu:
"Aber anders als du hätte ich deinen Wunsch respektiert, auch wenn er mich gekränkt hätte. Es ist eine Frage der Würde, Raschid - was du eigentlich verstehen solltest! Schön, heute schütze ich zur Abwechslung meine Würde und nicht deine. Dein Pech, wenn dir das nicht gefällt!"
Der Tanz war zu Ende. Evie warf Raschid noch einen wütenden Blick zu und ging davon. Doch es schmerzte sie sehr, dass Raschid sie nicht daran hinderte.
Von da an ging sie ihm wieder aus dem Weg - und jedem, der glaubte, das Recht zu haben, sie zu kritisieren. Stattdessen suchte sie bewusst die Gesellschaft solcher Leute', denen es völlig egal war, was sie in ihrem Privatleben machte. Sie lachte, tanzte, plauderte und bezauberte alle mit ihrem Charme und ihrer Schönheit. Doch insgeheim hatte sie sich noch nie in ihrem Leben so einsam gefühlt.
Schließlich kam der Moment, als sich alle Gäste in der Halle versammelten, um das Brautpaar zu verabschieden. Julian und Christina wollten die Nacht in einem Luxushotel in der Nähe von Heathrow verbringen, bevor sie am nächsten Morgen nach Barbados in die Flitterwochen fliegen würden.
Christina erschien oben auf der Freitreppe in einem zartrosa Designerkostüm. In der Hand hielt sie ihren Brautstrauß, und Julian an ihrer Seite lauschte lächelnd den ermunternden Zurufen der Gäste, den Strauß zu werfen, der der nächsten Braut Glück bringen sollte.
Evie stand lachend inmitten der übrigen Gäste, als Christinas Augen plötzlich entschlossen aufleuchteten - der Brautstrauß kam geflogen und landete an Evies Brust.
Schlagartig herrschte betretene Stille in der gewaltigen Eingangshalle von Beverley Castle. Die Blicke aller waren auf Evie gerichtet, die verlegen errötete. Offensichtlich hatte es allen die Sprache verschlagen.
Aus dem Hintergrund beobachtete Raschid wie erstarrt diese Szene. Die erschreckende Wahrheit traf ihn wie eine Ohrfeige: Jeder der Anwesenden schien zu wissen, dass Evie keine Chance hatte zu heiraten, solange sie mit ihm zusammenblieb.
"Nun ..." Evie bemühte sich, ihre Stimme heiter und unbeschwert klingen zu lassen. "Ich denke, jeder hat ein Recht zu träumen."
Es wurde pflichtschuldig gelacht und geklatscht.
Für Evie war es der schlimmste Augenblick in ihrem Leben. Es kostete sie alle Kraft, zu lächeln und sich - immer noch lächelnd - von ihrem Bruder und Christina zu verabschieden.
"Es tut mir Leid, Evie", flüsterte die Braut ihr zu.
"Schon gut." Evie küsste Christina auf die Wange. "Fort mit euch, und genießt eure Flitterwochen!"
Als die Limousine mit ihrem Schwanz aus flatternden Girlanden und klappernden Blechdosen die Einfahrt hinunter verschwand, hatte Evie dann endlich genug. Sie sah ihre Mutter zielstrebig auf sich zukommen, drehte sich rasch um und floh hinaus in die milde Sommernacht.
Evie lief um das große Festzelt herum hinunter zum Ufer des Sees, der im blassen Mondschein schimmerte. Langsam füllten sich ihre Augen mit Tränen. Schön, sie hatte es geschafft, hatte diesen Tag überstanden - wenngleich nicht ganz so, wie sie es sich gewünscht hatte. Sie hatte viele verärgert und niemanden zufrieden gestellt. Aber zumindest konnte sie sich jetzt darauf konzentrieren, sich selbst zufrieden zu stellen.
Und Evie wollte ... Ihr Herz pochte. Überwältigt von Kummer, hob sie die Hand, in der sie immer noch Christinas Brautstrauß hielt, und schleuderte den Strauß so weit wie möglich auf den See hinaus. Die Rosen landeten mit einem leisen Platschen im Wasser und trieben sanft
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