Liebe – wie im Maerchen
Miss Delahaye", begrüßte er sie höflich, aber ein wenig beunruhigt, sie so früh dort anzutreffen. "Wenn Sie den Frühstücksraum suchen ..."
"Nein ..." Evie schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln. "Ich wollte eigentlich vor dem Frühstück einen kleinen Spaziergang machen, aber die Riegel dort an der Tür übersteigen wohl meine Kräfte ..."
Lächelnd kam ihr der Diener zu Hilfe, offensichtlich erleichtert, dass er doch noch nicht das Frühstück servieren musste. Zwei Minuten später trat Evie hinaus in die milde, leicht dunstige Morgenluft, wie sie für einen Sommertag in England so typisch war.
Evie wollte sich gerade zum Seeufer wenden, als ein Wagen die Auffahrt heraufkam und vor der Kapelle anhielt. Der Fahrer stieg aus, sah Evie und winkte ihr zu. Es war Harry.
"Guten Morgen, Evie", rief er gut gelaunt und kam auf sie zu.
"Du bist ein Frühaufsteher!"
"Du aber auch." Sie rang sich ein Lächeln ab.
"Macht der Gewohnheit in meinem Geschäft."
"Aber hast du die Nacht nicht hier verbracht?"
Er schüttelte den Kopf. "Ich habe wenige Meilen entfernt bei Freunden geschlafen. Aber ich habe gestern Nacht mein Jackett hier vergessen und wollte es schnell holen, bevor ich nach Hause fahre."
"Du fährst nach Hause?" Ihr kam plötzlich ein Gedanke. Harry s Gestüt lag nur zehn Meilen außerhalb von London!
"Eine meiner Stuten steht kurz vor dem Abfohlen", erklärte er ihr.
"Es ist ihr erstes, deshalb möchte ich dabei sein, falls es Probleme geben sollte."
"Harry ... könntest du mich mitnehmen?" fragte Evie, spontan von dem Wunsch beseelt, dem allen zu entfliehen.
"Natürlich", antwortete er sofort, blickte aber ein wenig besorgt in ihr bleiches Gesicht.
"Ich packe nur rasch meine Sachen." Evie wandte sich bereits zur Tür. "Gib mir fünf Minuten!"
Nur drei Minuten später kam Evie schon wieder die Treppe herunter. Harry, der mit seiner Smokingjacke über dem Arm an der Tür wartete, registrierte besorgt ihre jetzt geröteten Wangen und den leicht gehetzten Ausdruck in ihren blauen Augen.
"Ist alles in Ordnung, Evie?"
Sie nickte und gab ihm ihre Tasche. "Ich habe meiner Mutter in meinem Zimmer eine Nachricht hinterlassen, wo ich bin."
"Und Scheich Raschid?"
Evie zog es vor, diese Frage nicht zu beantworten, und ging an Harry vorbei direkt zum Auto. Als er ihr Gepäck verstaut hatte und hinter dem Steuer Platz nahm, saß sie schon schweigend auf dem Beifahrersitz. Harry war so klug, sie in Ruhe zu lassen. Schweigend startete er den Motor und lenkte den Wagen über die Auffahrt zurück zur Straße.
Keiner von ihnen sagte ein Wort, bis schon eine stattliche Anzahl Meilen zwischen ihnen und Beverley Castle lag.
"Danke", flüsterte Evie dann.
Harry warf ihr einen besorgten Blick zu. Er kannte sie von klein auf und spürte, dass sie unglücklich war. "Möchtest du darüber sprechen?"
"Es ist vorbei zwischen Raschid und mir", sagte sie ausdruckslos.
Harry schien die Nachricht nicht zu überraschen. Er nickte.
"Das Gerücht ging gestern Abend schon um. Es muss etwas damit zu tun haben, dass sein Vater ernsthaft erkrankt ist und Raschid nach Hause zurückkehren und heiraten muss, bevor er offiziell die Nachfolge antreten kann."
Evie stockte der Atem. Raschids Worte kamen ihr in den Sinn, Worte, die er ihr in der Hitze des Gefechts entgegengeschleudert hatte:
"Hast du eine Vorstellung, was diese beiden Wochen für mich bedeuten werden? Welche Probleme sie mir verursachen werden?"
Plötzlich glaubte sie zu begreifen. Hatte sein Vater Raschid bei seinem letzten Besuch zu Hause ein Ultimatum gestellt? Waren diese zwei Wochen deshalb so wichtig?
"Und was genau besagen diese Gerüchte?" fragte sie vorsichtig.
"Dass er einen Monat Zeit hat, seine Privatangelegenheiten zu regeln, bevor er nach Hause zurückkehrt und irgendeine entfernte Cousine oder so heiratet", antwortete Harry bereitwillig. "Ist das wahr? Hat er deswegen Schluss gemacht?"
Sie war sekundenlang wie vom Donner gerührt. Neue Schreckensnachrichten verdrängten die alten. Irgendeine entfernte Cousine oder so ...
Evie wusste alles über Aisha. Raschid war ihr gegenüber immer ganz ehrlich bezüglich dieser entfernten Cousine gewesen, die sein Leben nur am Rande berührt hatte, während sie weit entfernt heranwuchs, bis sie alt genug sein würde, einen Prinzen zu heiraten.
"Alles in Ordnung?" fragte Harry besorgt. "Du bist kreidebleich geworden..."
Nein, nichts war in Ordnung. "Was für ein Schlamassel!
Verdammt, was für ein
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