Liebe – wie im Maerchen
ich Ihnen wehgetan?" fragte Asim, der ihr gerade einen neuen kühlenden Gelverband anlegte.
"Alle tun mir weh", brach es aus Evie hervor.
Asim schien zu verstehen, denn er schwieg. Kurz darauf war er mit dem Verband fertig und stand auf.
"Würden Sie mir bitte ein Taxi rufen, während ich ins Bad gehe und mich anziehe?" sagte Evie. Es war keine Bitte, sondern eine Aufforderung. Evie verschwand im Bad, ohne auf Asims Antwort zu warten.
Zehn Minuten später kam sie, bekleidet mit Jeans und T-Shirt, ins Schlafzimmer zurück. Sie wollte sich gerade das Haar zusammenbinden, als Raschid das Zimmer betrat. Evie sah ihn nur kurz an und wandte sich dann von ihm ab. Er hatte sich umgezogen und trug jetzt einen seiner eleganten Geschäftsanzüge. Evie bemerkte auch, dass er sie mit einer gewissen Vorsicht betrachtete - was sie mit Genugtuung erfüllte, denn es bedeutete, dass er sich ihrer nicht mehr so sicher war.
"Deine Mutter ist gegangen", informierte er sie.
Sie war nicht überrascht. Ihre Mutter würde Zeit brauchen, um sich mit dem nächsten Skandal abzufinden, der ihrer geplagten Familie drohte.
"Wie Asim mir sagte, hast du um ein Taxi gebeten. Warum?"
"Damit ich von hier wegkann", antwortete sie kühl. "Warum sonst?"
"Und wohin willst du gehen?"
"Wahrscheinlich nach Hause, nach Westhaven - um mich dort zu verstecken, wie es die gefürchteten schwarzen Schafe einer jeden Familie tun, wenn sie richtig in Schwierigkeiten stecken."
Raschid seufzte gereizt. "Mach dich nicht so schlecht!"
"Warum nicht?" konterte sie hart. "Es ist doch die Wahrheit -
zumindest werden alle anderen es so sehen, wenn die Sache erst einmal herauskommt."
"Sei nicht kindisch! Du bist überreizt und reagierst übertrieben empfindlich. Wenn wir heiraten, wird sich niemand mehr darum scheren, wann das Baby gezeugt wurde."
Wie taktvoll! dachte Evie spöttisch. "Ich habe es dir bereits gesagt -
und diesmal meine ich es wirklich ernst: Ich würde dich nicht heiraten, wenn du mir auf einem silbernen Tablett serviert werden würdest! Ich könnte niemals mit dem leben, was du insgeheim von mir gedacht hast!"
"Ich verdächtige dich nicht, dass du bewusst schwanger geworden bist!" sagte er heftig.
Evies spöttischer Blick sprach Bände, als sie sich mit zittrigen Fingern ihr langes goldblondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammenband.
"Schön." Raschid seufzte tief. "Vielleicht ist mir dieser Verdacht für einen Moment gekommen. Welcher Mann hätte unter den gegebenen Umständen nicht daran gedacht?"
"Möglicherweise ein Mann, der mich gut genug kennt, um zu wissen, dass ich lieber sterben würde, als ihm mit einem so miesen Trick eine Falle zu stellen?" schlug Evie sarkastisch vor.
Zu ihrem Erstaunen lachte Raschid verächtlich. "Mir scheint, dass vielmehr du dich in der Falle fühlst, Evie. Und das nagt an dir."
War es wirklich so? Widerstrebend gestand Evie sich ein, dass er vermutlich Recht hatte. Sie empfand diese Situation, aus der es scheinbar keinen akzeptablen Ausweg gab, wie eine Falle.
Raschid sah den unglücklichen Ausdruck in ihrem Gesicht und kam zu ihr. "Hör zu ..." Er legte ihr beide Hände auf die Schultern.
"Es tut mir Leid, wenn ich dich gekränkt habe. Aber meinst du nicht, dass wir beide schon genug Probleme haben, als dass wir auch noch miteinander streiten müssten?"
"All das ist so hässlich!" sagte sie heiser. "Und es wird nur noch hässlicher werden."
Sie meinte die zu erwartende Reaktion seines Vaters, und Raschid verstand. "Ich werde diese Sache zum Guten für uns wenden, koste es, was es wolle", versprach er.
Doch was würde dafür geopfert werden? Der Stolz seines Vaters?
Der Stolz seines Heimatlandes? Oder ihrer beider Stolz?
"Deine Mutter entwickelte bereits höchst unerwartet mütterliche Gefühle", fügte Raschid sanft hinzu, wobei seine Augen belustigt funkelten. "Zum Abschied befahl sie mir, mich aufs Beste um ihre Tochter zu kümmern, sonst würde ich es mit ihr zu tun bekommen."
Er lächelte. "Ich denke, in diesem Punkt sind deine Mutter und ich uns zum ersten Mal einig."
"Ihr beide seid euch ähnlicher, als ihr ahnt", sagte Evie leise.
"Arrogant, tyrannisch und zu sehr von euch eingenommen."
"Wohingegen du unser tragisch missverstandenes Opfer bist, ja?"
So gesehen, klang es wirklich übertrieben pathetisch. "Dein Vater hat bei dieser Sache auch noch ein Wort mitzureden", wechselte sie das Thema.
"Er ist kein Unmensch, Evie. Wenn deine Schwangerschaft schon deine Mutter mir gegenüber
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