Liebe – wie im Maerchen
"Deine Mutter hat dir nichts zu sagen und mir schon gar nicht!"
"Ihre Bitte ist nur fair." Evie wusste selbst nicht genau, warum sie plötzlich ihre Mutter verteidigte. Wahrscheinlich war es leichter, als Raschid wirklich die Wahrheit zu gestehen. "Du weißt genau, welche Aufmerksamkeit wir erregen, sobald wir irgendwo zusammen auftauchen. Meine Mutter muss in diesem
Fall an Julian und Christina denken und nicht an deine oder meine Gefühle."
"Mein Vater ist ein sehr enger Freund von Christinas Vater", entgegnete Raschid kühl. "Lord Beverley hat meinem Vater wie kein anderer geholfen, einige schwierige politische und diplomatische Hindernisse im Zuge der Reformierung und Modernisierung unseres Landes zu überwinden. Und ich werde Christinas Vater nicht durch meine Absage beleidigen, nur weil deine Mutter es wünscht." Raschid sah Evie herausfordernd an, den Kopf stolz erhoben. Ihr leidenschaftlicher Liebhaber war jetzt ganz der edle Prinz. "Da die Gesundheit meines Vaters seine Teilnahme an der Hochzeit nicht erlaubt, ist es meine Pflicht als sein Stellvertreter, dort zu erscheinen,"
Seine Pflicht. Evie brauchte in dieser Hinsicht keine Belehrungen.
Nur schade, dass sich Raschids Pflichtgefühl anscheinend nicht auf seine Geliebte erstreckte! "Sei's drum", sagte sie betont kalt. "Es darf dich aber dann nicht Überraschen, wenn ich mit Hilfe eines Ausweichplans dafür sorgen werde, dass jeglicher Klatsch auf ein Minimum reduziert wird."
Er horchte auf. "Was soll das heißen?"
Evie zuckte die Schultern. "Pflicht", hielt sie ihm nun ihrerseits entgegen. "Es ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass mein Bruder und seine Braut an ihrer Hochzeit im Mittelpunkt des Interesses stehen."
"Und wie willst du das schaffen?" fragte Raschid spöttisch. "Indem du vielleicht so tust, als wäre ich überhaupt nicht da?"
"Würdest du es bemerken?" erwiderte Evie heftig und hätte sich im nächsten Moment am liebsten auf die Zunge gebissen.
Zu spät. Raschids Augen leuchteten wissend auf. "Ist es das? War diese Bemerkung vielleicht der entscheidende Hinweis auf das, was heute Abend wirklich an dir nagt, Evie? Dass ich dir nicht genügend Aufmerksamkeit schenke?"
Wenn er geahnt hätte, wie weit er von der Wahrheit entfernt war!
Evie entschied sich, ihn auf dieser falschen Fährte zu halten. "Und wenn es so wäre, würde es dir etwas ausmachen?" Sein Schweigen war Antwort genug. "Ich bin müde", sagte sie plötzlich resigniert. "Es ist wohl das Beste, wenn ich jetzt nach Hause fahre ..."
Nicht einmal damit konnte sie Raschid provozieren. "Ich muss morgen abreisen und werde ungefähr eine Woche fort sein", informierte er sie kühl. "Wenn ich zurückkomme, müssen wir wohl miteinander reden."
Evie jagte ein Schauer über den Rücken. "Schön", antwortete sie förmlich und ging zur Tür.
Raschid folgte ihr mit aufmerksamen Blicken. Seinem scharfen Verstand konnte nicht entgehen, dass sie etwas Entscheidendes vor ihm verbarg. "Evie ..."
Sie blieb auf der Türschwelle stehen, ohne sich umzudrehen. Das Schweigen drohte unerträglich zu werden. Überwältigt von all den unterdrückten Gefühlen, die plötzlich mit Macht an die Oberfläche drängten, kämpfte sie mit den Tränen.
"Es würde mir etwas ausmachen, Evie", sagte Raschid rau.
Das war zu viel. Aufschluchzend drehte Evie sich um und lief zu ihm. Ich liebe dich so sehr! hätte sie am liebsten ausgerufen, hielt sich aber zurück, aus Angst, mit diesen Worten eine Lawine loszutreten, die ihre Liebe spurlos unter sich begraben hätte. Deshalb schmiegte sie sich stumm an Raschid und suchte Trost in seiner liebevollen Umarmung.
Ich werde es ihm nach Julians Hochzeit sagen, versprach sie sich unglücklich. Bis dahin konnte es noch warten ...
2. KAPITEL
Das Ereignis war als die "Hochzeit des Jahres" apostrophiert und von jedem, der etwas auf sich hielt, wurde erwartet, dass er dabei war, wenn Sir Julian Delahaye und Lady Christina Beverley den Bund fürs Leben schlössen: die Reichen, die Berühmten, die Adeligen, ganz zu schweigen von der großen Anzahl ausländischer Würdenträger, die Christinas Vater ihre Reverenz erwiesen, der sich im diplomatischen Dienst überall auf der Welt Freunde fürs Leben geschaffen hatte.
Das Wetter war herrlich, der Ort ein malerisches englisches Schloss inmitten eines idyllischen Anwesens im Herzen von Royal Berkshire, Etwas Romantischeres hätte man sich nicht vorstellen können. Kein Wunder, dass so mancher bereit war, seine Seele zu
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