Liebe
anderen Ergebnis. Die Forscher untersuchten die Schönheitsideale in 62 Kulturen. Danach hat das von den evolutionären Psychologen allgemein vorausgesetzte Schönheitsideal, dass Frauen schlank sein sollen, eher Seltenheitswert. Bei der Hälfte der untersuchten Kulturen galten dagegen dicke Frauen als attraktiv. Ein Drittel bevorzugte vollschlanke Frauen. Und nur 20 Prozent vertrat mehrheitlich das gegenwärtige westliche Schlankheitsideal.
Vor diesem Hintergrund verstärken sich die Zweifel an den Normen, die evolutionäre Psychologen als allgemeingültig voraussetzen. So etwa errechnen sie gerne eine höchst seltsame Fettverteilungs-Formel, die uns beweisen soll, warum Männer zwar auf gebärfreudige Becken stehen, nicht aber auf mollige Taillen. Doch sind Frauen mit Wespentaillen tatsächlich gesünder als etwas beleibtere Frauen? Und favorisierten Männer zu allen Zeiten die Wespentaille? Bezeichnenderweise scheinen Männer auch in der westlichen Welt in Zeiten von Hungersnöten und Krankheitsepidemien tendenziell eher molligere Frauen bevorzugt zu haben, man denke etwa an die Gemälde des Barock mit fülligen Nymphen, Musen und Göttinnen ganz ohne Wespentaille.
Geklärt werden müsste auch, warum viele Männer beim Sex Attribute der Fruchtbarkeit suchen, die in Wirklichkeit gar keine sind, wie zum Beispiel eine große und/oder wohlgeformte weibliche Brust. Und was soll ein Mann eigentlich mit einem Fruchtbarkeitsattribut
anfangen, wenn er zwar Sex sucht, aber unbedingt verhindern will, dass die Frau schwanger wird? Von der Summe an sexuellen Handlungen im Leben eines durchschnittlichen Mannes gilt ja nur ein verschwindender Bruchteil der Zeugung. Wenn man Buss’ Befragung Glauben schenken will, steht man demnach nicht vor einem gelösten Rätsel, sondern vor einem ganz neuen: Warum haben Männer in aller Welt offensichtlich einen tendenziell sehr ähnlichen Frauengeschmack, wenn sexuelle Gier, Bindungswille und die Absicht der Zeugung drei ganz verschiedene Dinge sind, die nur sehr selten zusammentreffen?
Ganz einfach, würde der evolutionäre Psychologe sagen: weil all diese Dinge in der Steinzeit noch irgendwie zusammenfielen. Das Problem ist allerdings, dass den Männern der Steinzeit ihre sexuelle Rolle gar nicht bewusst war. Kein Steinzeitjäger kannte die Funktion seiner Spermien, und keiner wusste sicher, welches Kind nun von ihm selbst gezeugt war. Unsere haarigen Vorfahren wussten auch nichts über günstige Fettverteilung bei potentiellen Partnerinnen. Und seine Gene nehmen dem Menschen, allen Spekulationen zum Trotz, diese Überlegungen nicht ab. Wenn Männer in Zeiten von Hungersnöten scharf auf mollige Frauen werden, dann mag das an vielem liegen, aber gewiss nicht an den Einflüsterungen ihres Erbmaterials.
Frauen-Wünsche
David Buss befragte auch Frauen. Das Ergebnis ist interessant, denn im Vergleich zu Männern sind sie die weitaus kompliziertere Spezies. Frauen stehen auf etwas ältere, auf wohlhabende und mächtige und auf gesunde und starke Männer. Das ist die einfache und leicht überschaubare Seite. Gleichzeitig suchen Frauen ein Paradox: einen Mann, der sowohl treu und lieb und
brutpflegend ist wie auch testosterongesteuert, allseits begehrt und verwegen. Diesen Mann aber gibt es nicht, er ist – zumindest biologisch – undenkbar. Frauen sind also kompliziert. Genau genommen kann es ihnen kein Mann recht machen. Der Grund liegt in ihrer Biologie. Und die Folge ist: Frauen sind »Psycho«. Sie müssen ihren potentiellen Partner durchleuchten. Mit David Buss gesagt: »Für die Partnerwahl (der Frau) sind psychologische Mechanismen notwendig, die es der Frau ermöglichen, alle Eigenschaften aufzusummieren und jede angemessen zu gewichten.« 28
Das Dilemma der Frau, den richtigen Partner sowohl für gute Gene als auch für die Brutpflege zu finden, wurde bereits beschrieben. Bizarr daran ist, dass in den Augen der evolutionären Psychologen auch die Frau, genau wie der Mann, immer auf der Suche nach optimaler Vermehrung ist. Dass Frauen sehr viel öfter Sex aus Spaß haben denn aus Gründen der Reproduktion, passt dabei irgendwie nicht ganz ins Schema. So kommt es, dass der deutsche Wissenschaftsjournalist Bas Kast erfrischend unbedarft schreibt: »Unter diesen Umständen versteht es sich natürlich von selbst, dass sich für die Frau nichts von selbst versteht. Sie kann ihre Kosten nur dann senken, wenn sie einen Mann findet, der fähig und bereit ist, mehr als nur ein paar
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