Liebe
gleich.
Dieses Prinzip beruht, wie bereits gesagt, auf der Annahme egoistischer Gene. Wie wir gesehen haben, ist dies allerdings eine stark vergröbernde und fahrlässige Behauptung. Kein Wunder, dass sie vor allem Forschern imponiert, die an gewagten Thesen ihren Spaß haben. In Bezug auf den Mann etwa behauptete der Biologe und Hormonforscher Ben Greenstein im Jahr 1993 in seinem Buch The Fragile Male (»Der zerbrechliche Mann«): »In erster Linie ist der Mann ein Befruchter von Frauen. Sein Drang, seine Gene in ein weibliches Wesen zu injizieren, ist so stark, dass es sein Leben von der Pubertät bis zum Tod beherrscht. Dieser Drang ist sogar stärker als der Drang zu töten.... Man kann sogar sagen, dass die Produktion und die Verteilung von Sperma sein einziger Daseinsgrund ist. Seine physische Kraft und seine Begierde zu töten sind auf dieses Ziel gerichtet, sie sollen sicherstellen, dass sich nur die besten Exemplare der Art fortpflanzen. Wird er von der Übermittlung seiner Gene abgehalten, so wird er gestresst, krank und kann zusammenbrechen oder außer Kontrolle geraten.« 26
Was Greenstein im Namen der Wissenschaft schreibt, ist geradezu eine unfreiwillige Karikatur von Richard Dawkins’ Gen-Theorie und eine maßlose Übertreibung. Hätte er recht, so wäre jeder kinderlose Mann ein Selbstmordkandidat oder ein potentieller Amokläufer. Man braucht nur daran zu denken, dass auch unsere nächsten Verwandten nicht entfernt so denken und handeln wie Greensteins Menschen-Männer. Weder Schimpansennoch Bonobo-Männchen sind einzig und allein auf Vermehrung programmiert, sie haben noch eine Menge anderer Dinge im Sinn. Und sollte der einzig wahre Auftrag des Mannes tatsächlich darin liegen, sein Erbgut so oft wie möglich weiterzugeben, so wäre für jeden Mann das Mittel der Wahl der Gang zu einer Samenbank, frei nach einer Strophe des Liedermachers Hannes
Wader: »Ich denke, ich werde irgendwann noch vernünftige Dinge tun / zum Beispiel meinen Samen auf die Spermienbank tragen ab nun / und nicht sterben, bis jedes Kind, das du auf der Straße siehst / von meinem Blut und nach meinem Bilde angefertigt ist.«
Nach Dawkins’ und Greensteins Sicht der Dinge bleibt es ein Rätsel, warum so wenige Männer den eigenen Reproduktionserfolg nicht als Samenspender erhöhen. Die Antwort, die Robert Trivers dazu einfiel, ist übrigens ausgesprochen amüsant. Er meinte, der Unwille zur Samenspende läge schlicht darin, dass es in der Steinzeit noch keine Samenbanken gab. Aus diesem Grund sei dem Mann die Spende nicht angeboren. Seltsam eigentlich nur, dass Männer Porno-DVDs in Sex-Shops kaufen. Denn das Einlegen von DVDs und das Aufsuchen von Sex-Shops dürfte in der Steinzeit auch recht schwierig gewesen sein. Warum gefällt so vielen Männern ganz unsteinzeitliche Reizwäsche? Und aus welcher Höhle kommt eigentlich das Faible für Nylonstrümpfe?
Aus nachvollziehbaren Gründen ist es für viele Männer eine recht gruselige Vorstellung, ungezählte Kinder zu haben, für die sie keine Verantwortung tragen können und die losgelöst von ihrem Erzeuger ihr Schicksal fristen. Wünschen werden sich das wohl die wenigsten. Es gibt Wichtigeres als die Vermehrung der Gene. Das schwächste Argument für das Maßhalten in puncto Promiskuität ist dabei die Angst vor der Reaktion des Partners. William Allman fällt nur ein einziger Einwand gegen die massenhafte Kindesproduktion durch gengesteuerte Männer ein, nämlich »weil eben zu manchen Dingen zwei gehören: Jede Handlung des einen wird durch die Reaktionen des anderen beeinflusst, der möglicherweise völlig andere Wünsche, Bedürfnisse und Zielvorstellungen besitzt – und unter Umständen ganz entschieden >nicht fitnessmaximierend< reagiert, wenn er herausbekommt, dass sein Partner ihn hintergeht.« 27 Danach erzeugen verheiratete Männer vor allem deshalb keine Kinder mit anderen
Frauen, weil ihre Ehefrauen dies nicht wollen, weil sie nicht wohlhabend genug sind oder weil sie »Racheakte durch Konkurrenten« fürchten. Auf den Gedanken, dass Männer andere Motive haben könnten, kommt Allman nicht. Denn Männer wollen immer – alles andere passt nicht in die Theorie.
Wenn Männer in aller Welt an Frauen sehr ähnliche sexuelle Attribute schätzen, wie David Buss’ Umfrage zeigt, dann mag das vielleicht nicht ganz falsch sein. Eine Wissenschaftsgruppe an der Simon-Fraser-University im kanadischen Burnaby allerdings kam Anfang der 1990er Jahre zu einem ganz
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