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Liebe

Titel: Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Precht
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prozentual gesehen die meisten in Deutschland. Allein fünf Millionen Pease-Bücher finden sich in deutschen Wohnstuben. Fünf Millionen deutsche Leser, die zum Beispiel wissen, Warum Männer lügen und Frauen immer Schuhe kaufen und Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken.
    Die Bücher der Peases sind lustig. Und vieles hört sich richtig an. Richtig anhören ist häufig das Gegenteil von richtig sein. Millionen verkaufte Bücher aber können nicht irren. Mittlerweile spielt der Pease-Konzern in einer anderen Liga. Bücher, DVDs, TV-Shows, Coaching, Seminare, Trainings. Und immer dabei: die beiden strahlenden Autoren ohne biografische Altersangabe. Ein Hochglanzpaar, das vormacht, wie es geht.
    Nur einen auf der Welt gibt es, der die Australier in den Schatten stellt, ein US-Amerikaner. Er hat 40 Millionen Exemplare seiner 16 Bücher verkauft. Seine These: Mann und Frau sind verschieden, völlig verschieden. Sein erfolgreichstes Buch: Men are from Mars, Women are from Venus (»Männer sind anders. Frauen auch«).
    Auch John Gray ist anders. Er hat ein Alter (57), und er hat ein Diplom. Gray darf sich Paar- und Familientherapeut nennen. Er ist mehr als nur ein »Kommunikationstrainer« wie die Peases. Sein Diplom stammt von der Columbia Pacific University. Gray studierte dort »Psychologie und Menschliche Sexualität«. Die Columbia Pacific University war eine kalifornische Privatuniversität, beliebt wegen ihrer freizügigen Vergabe von Abschlüssen und als »Diplom-Mühle« berüchtigt. Im Jahr 2000 wurde die unseriöse Lehranstalt von den Behörden geschlossen; die Abschlüsse zählen nicht viel. Vielleicht ist John Gray doch nicht so anders.
    Wie die Peases betreibt er ein florierendes Institut für Zwischenmenschliches. Und ebenso wie die Australier sieht er die Wurzel aller Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der Steinzeit. Nur dass Grays Steinzeit im Weltraum liegt, auf Mars
und Venus. Gemeinsam haben Allan und Barbara Pease und John Gray die westliche Kultur unterwandert und indoktriniert. Durch nette Anekdoten und putzige Einsichten mit dem erkenntnistheoretischen Stellenwert von Partywitzen. Seit Pease und Gray leben Millionen Menschen mit der Vorstellung, dass Männer »schwerhörige, sehschwache, sich aber hervorragend orientierende Jäger« sind und Frauen »räumlich beschränkte quasselnde Sammlerinnen«. Selbst Sigmund Freud ginge vor solch einer Breitenwirkung in die Knie.
    Was unseren wissenschaftlichen Kenntnisstand über die Steinzeit anbelangt, so war davon schon hinreichend die Rede. Und nähere Nachforschungen auf Mars und Venus dürften sich erübrigen. Folglich erweist sich der Verweis auf unsere Ahnen eigentlich auch nur als eine prähistorische Garniergeschichte für neuzeitlich bekannte Alltagsbeobachtungen. Wenn zwischendurch an vielen Stellen ein Hinweis auf »Amerikanische Forscher haben herausgefunden...« kommt, lohnt sich das Weiterblättern. Amerikanische Forscher haben schon so vieles herausgefunden; es fragt sich nur, bei wem, unter welchen Bedingungen und nach welchen Methoden.
    Wissenschaftlich gesehen bewegen sich die Bücher also nicht im Umfeld von Universitäten, sondern von Nachmittags-Talkshows. Ziemlich unschön daran ist eigentlich nur das ständige Rollenspiel mittlerweile auch in deutschen Ratgebern, wo irgendein Klaus und eine Gabi sich über die Brutpflege und die Kinokarten in die Haare kriegen. Und am Ende eines jeden Klaus-&-Gabi-Buches mit seinen Schulfunkdialogen folgt die Moral: Sie sind halt Männer und Frauen – sie können nicht anders! Oder doch? Zumindest am Ende stehen ein paar kluge Tipps und goldene Regeln, ein »Geheimplan der Liebe« oder Ähnliches von atemberaubender Klugheit wie: »Gehen Sie beim Streit nicht unter die Gürtellinie« und »Bringen Sie Ihrer Frau ab und zu ein paar Blumen mit«. Denn amerikanische Forscher haben herausgefunden...

    Um den Erfolg der Bücher zu verstehen, muss man fragen, worin ihr Reiz liegt. Sie sind amüsant und leicht verständlich. Man kann sie auf jeder beliebigen Seite aufschlagen und versteht sofort den Sinn. Auf tieferer Ebene aber erfüllen sie zwei große Bedürfnisse unserer Gesellschaft. Eines davon ist die schon genannte Suche nach dem festen Punkt. Im Vergleich zur Kultur wirkt die Biologie ungeheuer einfach, plausibel und logisch – jedenfalls dann, wenn man sie gezielt vereinfacht und falsch darstellt. Unser Glaube gegenüber den Biowissenschaften ist in geradezu

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