Liebe
effizientes Unternehmen, sondern ein Feld von Zufällen, ein wildes Neben- und Durcheinander und ein Tummelplatz funktionsloser Formen und Fähigkeiten. Kurz gesagt: Die Natur ist nicht aufgeräumt und geordnet, und sie wird es auch nicht durch die Anwendung einer einzigen, alles erklären wollenden Theorie.
Solange evolutionäre Psychologen alle Macht bei den Genen sahen, solange war die menschliche Kultur nur ein Vollzugsgehilfe genetischer Wünsche in der modernen Gesellschaft. Eine eigene kulturelle Evolution erschien und erscheint undenkbar. Oder sie wurde nur als eine reine Kopie der genetischen Evolution angesehen, wie in Richard Dawkins’ Konzept der Meme, als so genannte »Kulturgene«. So wie die Gene ihre Information kopieren und vererben, so sollen auch die Meme, also die kulturellen Vorstellungen, sich kopieren und dadurch vererben. So weit die Idee. In der Realität hingegen verbreitet sich Kulturelles nicht einfach durch »Kopieren« wie bei Dawkins. Es entstehen auch neue Ideen und Variationen, die mehr sind als eine zufällige biologische »Mutation«. Auf diese Weise geschieht in der Menschenwelt wie in der Tierwelt viel Neues und zum Teil erfreulich Unsinniges.
Viele Singvögel ahmen die Gesänge anderer Vögel nach, zum
Beispiel der Neuntöter. Er kopiert sie allerdings nicht einfach, sondern nimmt sie als variierbare Elemente in seinen Gesang mit auf. Einen höheren Zweck hat das Ganze augenscheinlich nicht. Denn dass Neuntöter-Weibchen ein Männchen besonders bezirzend finden, das wie eine Amsel klingt, ist weder wahrscheinlich noch bewiesen. (Von einer klammheimlichen Liebe von Neuntöterinnen zu Amseln weiß man jedenfalls nichts.) Amseln dagegen imitieren in jüngster Zeit gerne Handytöne. Warum auch immer. Die Natur, so scheint es, kennt weitaus mehr Formen als Sinn. In der Sexualität des Menschen ist das nicht anders.
Die gesamte menschliche Kultur ist eine Kultur, geboren aus Imitation und Variation. Kinder gucken ihr Verhalten bei ihren Eltern, Geschwistern und Freunden ab und lernen Wissen und Verhalten in der Schule. Das Wissen wird hinterfragt und abgeändert, ohne Zweifel eine Evolution, aber eine nicht-genetische Evolution, sondern eine Evolution auf einer anderen Ebene: eine kulturelle Evolution.
Wir haben gesehen, dass die evolutionäre Psychologie auf der Grundlage der Theorie von vermeintlich egoistischen Genen eine interessante Sackgasse ist, aus der man viel lernen kann. Männer und Frauen benehmen sich nicht schlichtweg so, wie sie es nach Ansicht der evolutionären Psychologen eigentlich tun müssten. Die Geschlechter verhalten sich nicht immer sexuell stereotyp. Aber verhalten sie sich nicht doch gleichwohl anders? Haben die evolutionären Psychologen nicht zumindest hierin recht? Selbst wenn die Kultur uns formt – arbeitet sie nicht bei Mann und Frau mit zwei ganz verschiedenen biologischen Vorgaben? Wie unterschiedlich sind Männer und Frauen? Und was wissen wir eigentlich ganz genau darüber?
4. KAPITEL
Ich sehe was, was du nicht siehst
Denken Männer und Frauen tatsächlich anders?
Lustige Bücher, fragwürdige Studien
Allan Pease verscherbelte Gummischwämme an Haustüren; da war er gerade zehn Jahre alt. Mit 21 war er steinreich durch den Verkauf von Lebensversicherungen. Er wurde zum erfolgreichsten Jungmillionär Australiens gewählt: ein Mann, der jedem alles verkaufen kann. Mit so etwas macht sich niemand nur Freunde; möglicherweise ist »Pease« auch nicht sein richtiger Name.
Irgendwann traf Allan ein junges Model. Barbara war wie Allan, nur schöner. Mit zwölf wurde sie Model, lief für Toyota und Coca-Cola über den Laufsteg, und schon mit Anfang zwanzig hatte sie ihre eigene erfolgreiche Model-Agentur. Allan und Barbara heirateten. Das brachte sie auf eine Idee. Sie wollten Bücher schreiben und damit noch erfolgreicher werden. Bücher über sich, über Mann und Frau und warum sie miteinander oft unglücklich und oft glücklich sind. Ihre These: Die Geschlechter sind nicht nur verschieden, sie sind völlig verschieden.
Natürlich waren Allan und Barbara keine Psychologen, Anthropologen oder Neurowissenschaftler. Sie waren Geschäftsleute. Was immer sie in der Wissenschaft an Verwertbarem finden konnten, polierten sie auf, bogen es zurecht, verdrehten es und machten es hübsch passend. Das Resultat: 16 Bücher, in 50 Sprachen übersetzt und in 100 Ländern verkauft. Weltweit brachten
die Peases 20 Millionen Bücher an die Frau oder den Mann,
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