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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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sie mich liebte, ich sagte, dass ich sie liebte, und beschloss, alles, was geschehen war, abzuhaken. Mich ihm nicht mehr zuzuwenden, nicht daran zu denken, ihm keinen Platz in meinem Leben einzuräumen.
    Im Frühherbst rief Arve an und erzählte mir, dass er mit Linda zusammen war. Ich meinte, ich habe doch gleich gesagt, dass ihr ein Paar werdet.
    »Aber das hat sich nicht in Stockholm ergeben, sondern erst später. Sie hat Briefe geschrieben und ist dann hergekommen. Ich hoffe, wir zwei können trotzdem weiter Freunde sein. Ich weiß, dass das schwierig ist, aber ich hoffe es.«
    »Natürlich können wir Freunde sein«, sagte ich.
    Und es stimmte, ich war ihm nicht böse, warum sollte ich?
    Einen Monat später traf ich ihn in Oslo und war zurück
auf Los, war unfähig, ihm irgendetwas zu sagen. Kaum ein Wort kam über meine Lippen, und das, obwohl ich trank. Er sagte, Linda spreche viel über mich, sie sage oft, ich sei so schön. Darüber dachte ich, dass schön kein für uns geltender Parameter war, es war eher eine kuriose Tatsache, so als hätte sie gesagt, ich würde hinken oder hätte einen Buckel. Außerdem kamen diese Worte von Arve, warum wollte er sie weitergeben? Als ich ihm einmal im Haus der Künstler begegnete und er so betrunken war, dass man sich kaum mit ihm unterhalten konnte, nahm er meine Hand, führte mich zu einem Tisch und sagte, schaut, ist er nicht schön? Ich entfernte mich, traf ihn eine Stunde später, wir setzten uns, ich sagte, dass ich ihm so viel von mir erzählt hatte, während er mir nie etwas von sich erzählte, also von dem, was einem wichtig war, und er erwiderte, jetzt enttäuschst du mich aber, du hörst dich an wie ein Psychologe in der Samstagsausgabe von Dagbladet oder so, ich sagte, okay. Er hatte ja Recht, er hatte immer Recht, oder befand sich immer an einem Ort, der über Argumenten stand, in denen es um richtig und falsch ging. Er hatte mir vieles gegeben, aber ich musste auch das abhaken, ich konnte nicht darin leben und gleichzeitig so leben, wie ich es in Bergen tat. Das ging nicht.
    Im Winter begegnete ich ihm erneut, zusammen mit Linda, sie wollte mich treffen, und Arve führte sie zu meinem Platz, ließ uns eine halbe Stunde in Ruhe, kam zurück und holte sie wieder ab.
    Sie saß zusammengekauert in einer großen Lederjacke, schwach und zitternd, es war kaum noch etwas übrig von ihr und ich dachte, es ist tot, es existiert nicht.
     
    Während ich Geir die Geschichte erzählte, sah er vor sich auf den Tisch. Als ich fertig war, begegnete er meinem Blick.
    »Interessant!«, sagte er. »Du wendest alles nach innen.
Jeden Schmerz, jede Aggression, jedes Gefühl, jede Scham, alles. Nach innen. Du verletzt dich selbst, keinen da draußen.«
    »Das macht doch jeder beliebige Teenager genauso«, erwiderte ich.
    »Nein!«, sagte er. »Du schneidest dir das Gesicht auf. Kein Mädchen würde sich jemals das Gesicht zerschneiden. Ehrlich gesagt habe ich noch nie von jemandem gehört, der das getan hat.«
    »Es waren ja keine tiefen Schnitte«, sagte ich. »Es sah schlimm aus, aber es war nicht so schlimm.«
    »Wer will denn so etwas mit sich machen?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Es kam einfach alles Mögliche zusammen. Vaters Tod, der Rummel um das Buch, das Leben mit Tonje. Und natürlich Linda.«
    »Aber heute hast du nichts für sie empfunden?«
    »Jedenfalls nicht viel.«
    »Wirst du sie wiedersehen?«
    »Vielleicht. Wahrscheinlich. Aber nur, um hier einen Freund zu haben.«
    »Noch einen Freund.«
    »Ja, genau«, sagte ich und hob den Zeigefinger, um die Aufmerksamkeit der Kellnerin auf mich zu ziehen.
    Am nächsten Tag rief die Frau an, in deren Wohnung ich übergangsweise wohnte. Sie hatte eine Freundin, die einen Untermieter suchte, um ihre Mietkosten zu senken.
    »Was heißt Untermieter?«, erkundigte ich mich.
    »Du hast dein eigenes Zimmer, und den Rest der Wohnung nutzt ihr beide.«
    »Hört sich eigentlich nicht an, als könnte es etwas für mich sein«, sagte ich.
    »Aber es ist wirklich eine fantastische Wohnung«, sagte sie.
»Sie liegt in der Bastugatan. Das ist eine der besten Adressen in ganz Stockholm.«
    »Okay«, sagte ich. »Ich kann ja mal mit ihr reden.«
    Ich bekam ihren Namen und die Telefonnummer, rief an, sie hob sofort ab, ich brauchte bloß vorbeizukommen.
    Die Wohnung war wirklich fantastisch. Die Frau war jung, jünger als ich, und an den Wänden hingen lauter Bilder von einem Mann. Das sei ihr Mann, sagte sie, er sei

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