Lieben: Roman (German Edition)
ich.
»Dann essen wir sofort.«
Ich folgte ihr zu dem Tisch, der am anderen Ende des Zimmers
vor dem Bett unter dem Fenster stand. Sie hatte eine weiße Decke aufgelegt, und zwischen den beiden Tellern und Gläsern stand, außer zwei Flaschen Bier, ein Ständer mit drei Kerzen, die im Luftzug mit kleinen, flackernden Flammen brannten. Eine Schüssel mit Krebsen, ein Korb mit Baguette, Butter, Zitrone und Mayonnaise waren ebenfalls darauf verteilt.
»Es hat sich herausgestellt, dass ich im Umgang mit Krebsen nicht sonderlich geschickt bin«, sagte sie. »Ich habe keine Ahnung, wie man sie öffnet. Weißt du das vielleicht?«
»In etwa«, sagte ich.
Ich brach die Beine ab, öffnete den Kopf und holte den Magen heraus, während sie die Flaschen öffnete.
»Und, was hast du heute gemacht?«, sagte ich und reichte ihr den einen Krebs, der fast ganz gefüllt war.
»Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, in die Uni zu gehen. Also habe ich Mikaela angerufen und bin mit ihr essen gegangen.«
»Hast du ihr erzählt, was passiert ist?«
Sie nickte.
»Dass du mich geschlagen hast?«
»Ja.«
»Und, was hat sie gesagt?«
»Nicht sehr viel. Sie hat zugehört.«
Sie sah mich an.
»Kannst du mir verzeihen?«
»Natürlich. Ich begreife nur nicht, warum du das getan hast. Wie du so die Kontrolle über dich verlieren konntest. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass du das nicht tun wolltest? Als du ein bisschen darüber nachgedacht hast, meine ich?«
»Karl Ove«, sagte sie.
»Ja?«, sagte ich.
»Es tut mir leid, schrecklich leid. Aber was du da gesagt
hast, das hat mich unheimlich hart getroffen. Bevor ich dich kennen lernte, wagte ich nicht einmal daran zu denken, dass ich Kinder bekommen könnte. Ich wagte es nicht. Selbst als ich mich in dich verliebte, wagte ich es nicht. Und dann hast du es gesagt. Du hast es gesagt, erinnerst du dich? Am allerersten Morgen. Ich möchte Kinder mit dir haben. Und ich habe mich unheimlich gefreut. Ich habe mich so unglaublich, so wahnsinnig gefreut. Darüber, dass überhaupt die Möglichkeit existierte. Du hast mir diese Möglichkeit geschenkt. Und dann … gestern… ja, da hörte es sich für mich an, als würdest du das wieder zurücknehmen. Du meintest, dass wir vielleicht noch etwas warten sollten. Das hat mich unglaublich hart getroffen, das war so vernichtend, und da … tja … daraufhin habe ich völlig die Beherrschung verloren.«
Ihre Augen schimmerten feucht, als sie den Krebspanzer über die Brotscheibe hielt und versuchte, das feste Fleisch am Rand mit dem Messer herauszuhebeln.
»Kannst du das verstehen?«, sagte sie.
Ich nickte.
»Sicher. Aber du kannst dir nicht alles herausnehmen, ganz gleich, wie stark deine Gefühle sind. Das geht nicht. Verdammt. Das geht einfach nicht. Ich kann so nicht leben. Das Gefühl, dass du dich gegen mich wendest und mich schlägst. Das geht nicht, damit kann ich nicht leben. Wir wollen doch zusammen sein, nicht? Wir können uns doch nicht feindselig gegenüberstehen, das halte ich nicht aus, dazu fehlt mir einfach die Kraft. Das geht nicht, Linda.«
»Du hast Recht«, sagte sie. »Ich werde mich zusammenreißen. Versprochen.«
Wir schwiegen eine Weile und aßen. Brachte einer von uns das Gespräch auf etwas Normaleres und Alltäglicheres, würde der Vorfall abgehakt sein.
Das wollte ich und wollte es doch nicht.
Das Krebsfleisch auf dem Brot war zugleich wellig und glatt, rotbraun wie Blätter auf Erde, und dieser salzige, fast ein wenig bittere Geschmack von Meer, gedämpft von der Süße der Mayonnaise, gleichzeitig verstärkt vom Zitronensaft, besetzte für einige Sekunden alle Sinne.
»Hat es dir geschmeckt?«, sagte sie und lächelte mich an.
»Ja, das war sehr lecker«, sagte ich.
Was ich damals zu ihr gesagt hatte, an jenem ersten Morgen, an dem wir gemeinsam aufgewacht waren, hatte ich nicht einfach nur dahingesagt, sondern von ganzem Herzen so empfunden. Ich wollte Kinder mit ihr haben. Das hatte ich nie zuvor empfunden. Und dass ich so erfüllt davon gewesen war, ließ mich sicher sein, dass es richtig war. Ohne jeden Zweifel.
Aber zu jedem Preis?
Meine Mutter kam nach Stockholm, ich stellte ihr Linda in einem Restaurant vor, und die Sache schien gut zu verlaufen, Linda strahlte verlegen und gleichzeitig offenherzig, während ich die ganze Zeit Mutter und ihre Reaktionen verfolgte. Sie sollte in meiner Wohnung übernachten, ich verabschiedete mich an der Haustür von ihr, sie ging nach drinnen, und ich
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