Lieben: Roman (German Edition)
aus.«
»So kannst du nicht über mich bestimmen«, sagte ich.
»Ich bestimme nicht über dich. Das ist eine angemessene Forderung. Wir sind zusammen, und dann will ich nicht die ganze Zeit allein sein.«
»Die ganze Zeit?«
»Wenn du nicht damit aufhörst, werde ich dich auf der Stelle verlassen.«
Ich seufzte.
»So verdammt wichtig ist es nun auch wieder nicht«, sagte ich. »Ich höre auf.«
»Schön«, sagte sie.
Ich erwähnte die Sache in einem Telefonat mit Geir am nächsten Tag, und er sagte, verdammt nochmal, bist du vollkommen verrückt geworden, Mann? Zum Teufel, du bist Schriftsteller. Du kannst dir doch nicht von anderen vorschreiben lassen, was du tun sollst! Nein, sagte ich, aber darum geht es hier nicht. Es geht darum, was es mich kostet. Was es dich kostet?, sagte er. Die Beziehung, sagte ich. Das verstehe ich nicht, sagte er. In diesem einen Punkt musst du hart bleiben. Kompromisse kannst du bei allem anderen schließen, aber nicht bei diesem Thema. Aber wie du weißt, bin ich windelweich, sagte ich. Groß und windelweich, sagte er und lachte. Aber okay, es ist dein Leben.
Der September verging, die Blätter an den Bäumen wurden gelb, sie wurden rot, sie fielen ab. Das Blau des Himmels wurde intensiver, die Sonne stand tiefer, die Luft war klar und kalt. Mitte Oktober versammelte Linda alle ihre Freunde in einem italienischen Restaurant auf Södermalm, sie wurde dreißig und war von einem inneren Licht erfüllt, das sie strahlen ließ und mich stolz machte: Ich war der Mann, der mit ihr zusammen war. Stolz und Dankbarkeit, das waren meine Gefühle. Die Stadt ringsum funkelte, als wir nach Hause gingen, sie in der weißen Jacke, die ich ihr am Morgen geschenkt hatte, und dort Hand in Hand zu gehen, mitten in dieser schönen, mir fremden Stadt, jagte einen Freudenschauer nach dem anderen durch mich hindurch. Wir waren noch immer voller Eifer und Lust, denn unsere Leben hatten eine Wende genommen, nicht nur eine leichte wie in einer kurzen Windbö, sondern eine fundamentale. Wir wollten ein Kind bekommen. Dass uns etwas anderes als Glück erwarten könnte, kam uns niemals in den Sinn. Mir jedenfalls nicht. In solchen Fragen, die nicht mit Philosophie, Literatur, Kunst oder Politik zusammenhängen, sondern ausschließlich das Leben betreffen, wie es gelebt wird, in mir und um mich herum, denke ich nie. Ich fühle, und die Gefühle bestimmen mein Handeln. Für Linda galt, vielleicht sogar in einem noch größeren Maße, das Gleiche.
Zu der Zeit bekam ich das Angebot, an der Schreibakademie in Bø zu unterrichten, was noch nie vorgekommen war, aber Thure Erik Lund sollte dort einen zweiwöchigen Kurs halten und war gebeten worden, selbst den Schriftsteller auszuwählen, mit dem er zusammen unterrichten wollte. Linda fand zwei Wochen lang, sie hatte keine Lust, so lange von mir getrennt zu sein, und ich dachte, das ist wirklich lange, sie kann doch nicht die ganze Zeit hier in Stockholm hocken, während ich in Norwegen arbeite. Gleichzeitig wollte ich das Angebot
annehmen. Beim Schreiben hing ich immer noch fest, ich musste etwas anderes tun, und Thure Erik war einer der Autoren, die ich am meisten schätzte. Ich erwähnte die Sache eines Abends in einem Telefonat mit meiner Mutter, und sie meinte, dass wir doch noch keine Kinder hätten, warum sollte Linda also nicht ein paar Wochen alleine verbringen können? Das ist dein Job, sagte sie. Damit hatte sie natürlich vollkommen Recht. Ein kleiner Schritt zur Seite, und alles klärte sich. Aber diesen Schritt machte ich fast nie, denn Linda und ich lebten sehr eng zusammen, und zwar in mehr als einer Hinsicht; Lindas Wohnung am Zinkensdamm war dunkel und eng, anderthalb Zimmer waren alles, was wir hatten, und es kam mir vor, als schluckte uns das Leben dort nach und nach. Was zuvor offen gewesen war, schloss sich nun allmählich, unsere Leben waren so lange eins gewesen, dass sie langsam erstarrten und sich aneinander rieben. Kleine Episoden tauchten auf, jede für sich genommen eine Lappalie, aber insgesamt bildeten sie ein Muster, ein neues System, das sich nach und nach verfestigte.
Als ich sie eines späten Abends zu der Tankstelle nahe Slussen begleitete, wo sie eine Übungsaufgabe machen sollte, drehte sie sich plötzlich zu mir um, beschimpfte mich wegen irgendeiner Kleinigkeit und bat mich, zur Hölle zu fahren. Ich wollte wissen, was mit ihr los sei, sie antwortete nicht, war bereits zehn Meter vor mir. Ich folgte ihr.
Als wir an einem
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